Roxelane
ein Unerklärliches verhindert fühlt, es zu betreten. Sie wollte die Macht für Roxelane, und einen andern Weg als den über Soliman gab es nicht.
„Mein Gesicht ist schwarz von mir angetaner Schmach“, fuhr Roxelane unbeirrt fort. „So wie ich bin, bin ich unwürdig der kaiserlichen Gegenwart.“
Und das war ihr letztes Wort an den Tschokadar.
Sie gab ihm mehr damit, als er zu erhalten gehofft hatte. Mit Genuß tat er einen Einblick in das große Spiel, das hier gespielt wurde, in das Spiel dieser Hanum, vor deren Kühnheit er Achtung empfand, wenn er sich auch nicht ganz darüber klar war, ob sie wirklich wisse, was sie da sprach.
Dede Semid aber war verzweifelt.
Und als sie erst wieder mit Roxelane allein war, lehnte sie sich gegen das Verhalten der Freundin auf, das schlimmer als das der Saffieje sei und das der Kaiser ihr niemals vergeben könne.
Ganz Gouvernante wurde sie wieder, die einer Guedlicki den Kopf zurechtsetzt. Mit solchem Nachdruck sprach sie, daß es nach ihrer Meinung einen Stein hätte überzeugen müssen. Aber die steinernen Wände gaben keine Antwort - so wenig wie Roxelane. Die war völlig verwandelt. Starren Blickes saß sie da und hielt in ihren Händen einen Rosenkranz.
Doch es war leicht zu erkennen, daß nichts von Gebeten in ihr war und daß sie nicht einmal etwas von den bernsteinernen Kugeln wußte, die ihr durch die schmalen Finger glitten. Was Dede Semid auch sagen mochte, nichts drang bis zu Roxelane.
„Sie sollten sich schämen, Dame“, warf ihr die Gouvernante schließlich als letzten Trumpf hin.
Da erst schlug Roxelane ihre Augen auf.
„Schämen?“ fragte sie und sah ganz fremd dabei aus. „Was seid ihr Frauen doch für seltsame Geschöpfe! Sagtest du nicht selbst, es sei schändlich von ihm, einfach davonzugehen, ohne ein Wort über mich zu hinterlassen?“
„Ja, aber . . .“
„Ja, aber!“ erbitterte sich Roxelane. „Und nun ich tat, was du nur sagtest, schiltst du mich! Das ist euer ,ja, aber“! - Doch nicht deiner
Worte wegen, die nur Schall sind, handelte ich so“, fuhr sie fort, „das glaube nur nicht. Weil ich mich nach ihm gesehnt habe, tat ich es. Jede Stunde habe ich mich nach ihm gesehnt, jede Nacht. Nach einem Wort von ihm, nach einem Zeichen, nach einer winzigen kleinen Gewißheit, daß er meiner gedenke.“
„Aber er kam doch!“ widersprach Dede Semid. „Und wie du siehst, kam er deinetwegen. Willst du mich glauben machen, daß ihn die paar elenden Kratzer auf deinem Gesicht gestört hätten? Das denkst du selbst nicht. Warum also beleidigtest du ihn durch dein Weigern? Warum gingst du nicht zu ihm, wenn du dich doch nach ihm sehntest?“
Roxelanes Augen verloren sich wieder ans Unsichtbare.
„Ich weiß es nicht“, murmelte sie. „Ich weiß es nicht. - Oh, Dede Semid“, brach es in plötzlicher Verzweiflung aus ihr heraus, „weißt du, warum ich es tat?!“
Dede Semid aber verschloß sich.
„Weil du ein unfrommes, überhebliches Geschöpf bist“, eiferte sie, „deswegen zwang dich dein böser Geist zu dieser Torheit. Soll der Padischah, der Allahs Schatten auf Erden ist, etwa zu dir gekrochen kommen, und hat er dich nicht seiner Chasseki vorgezogen?“ Roxelane sprang auf.
„Das ist alles, was du zu sagen weißt?“
„Das ist alles“, entgegnete Dede Semid kalt.
„Weil ich ein kleines Mädchen und eine Sklavin bin?“
„Es wird Zeit, daß du dich dessen erinnerst.“
„Und ich soll glücklich sein, weil er mich heute vorzieht und morgen eine andere und übermorgen Saffieje?“
„Du bist bevorzugt über Gebühr“, erklärte die Gouvernante voll Mißbilligung.
„Das ist nicht wahr!“ empörte sich Roxelane. „Denn ich bin eine Frau. Seine Frau. Und er ist ein Mann. Mein Mann!“
„Also doch?!“ rief Dede Semid mit einem Gefühl, das zwischen Triumph und Eifersucht schwebte. „Ist das wahr?! Ist das wirklich wahr, Roxelane?!“
Doch Roxelane hörte sie nicht.
„Er ist mein Mann, und bevor er nicht leidet, wie er mich leiden ließ, eher kann es nicht wieder gut werden zwischen uns. Nie könnte ich mich frei fühlen und ihm gleich, wie ich sein muß, wenn ich lieben soll. Denn ich habe gelitten um ihn“, fuhr sie fort. „Nur ihn habe ich gedacht die ganze Zeit. Weißt du überhaupt, was es heißt, immer nur den einen Menschen denken zu müssen, der nicht da ist? Der keine Nachricht gibt? Und der allen gehört?“
„Und nun er da ist und dich fordert, gehst du nicht zu ihm.“ „Hingehen? Nur damit
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