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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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ausliefen.
    Die Fernsicht war allerdings nicht besonders gut.
    Doch wenn man sich Mühe gab, konnte man ganz rechts und nach Süden zu durch die kleinen bleigefaßten Scheiben den Anblick des Meeres gewinnen.
    Es erglänzte jetzt rosig vom Widerschein der untergehenden Sonne, die Roxelane nicht sah.
    Immer matter wurde das Rot.
    Und jetzt, wie es ins Aufblauen der Dämmerung einging, krachte ein Kanonenschuß.
    Für die Spanne einer Nacht hatte die Sonne aufgehört zu scheinen, und so war nun die Stunde des Gebets.
    Roxelane wendete sich um.
    Dede Semid lag nach Mekka zu auf dem Boden und verrichtete ihre Andacht.
    Trotzdem aber Roxelane fromm genug war, Allah zu geben, was ihm gebührte, tat sie nichts dergleichen.
    Sie konnte nicht beten.
    Heute nicht.
    Sie wartete. Und kein Gebet konnte sie von der Qual dieses Wartens erlösen.
    Hastig durchmaß sie das Zimmer. Ihre Gedanken zählten die Minuten und Viertelstunden und kehrten immer wieder zu ihrem Ausgang zurück. Und dann begann Roxelane von neuem zu denken: Vor dem Gebet habe Soliman nichts unternehmen können, überlegte sie. Aber kurz nach Sonnenuntergang hätte er es gekonnt. Einer der nachgeordneten Eunuchen sei jedoch sicher nicht mit der Übermittlung des großherrlichen Befehls betraut worden. Vielleicht sei die Wahl auf den Tschokadar, den Mantelträger des Sultans, gefallen? Er heiße
    Bolil Aga, fiel ihr ein. Und auch im Köschk Hebetullah sei Bolil zugegen gewesen. Aber wo bleibe er denn? Wo bleibe Bolil, dieser Säumige, Faule! Statt zu eilen, zu laufen, sehe er sich gewiß erst nach einem geziemenden Gefolge für sich um, der Eitle! Doch was verstehe ein Eunuch schon von der Liebe - von der Sehnsucht, die verzehre, von der Ungeduld, die fiebern mache? Gewiß: Diese Eunuchen haben ihre Häuser und in den Häusern ihre eigenen Harems. Wenigstens die Großen unter ihnen haben sie. Und sie begönnern Mädchen, die
    zu lieben sie sich einbilden, und sie verfolgen andere. Aber was habe
    f.
    dieses Mögen oder Nichtmögen mit einer Liebe wie ihrer, Roxelanes, Liebe zu tun?!
    „Was ist dir?“ fragte Dede Semid. „Heute hat es doch gar keinen Zweck zu warten.“
    Roxelane schnellte herum.
    „Ich?! Warten?! Auf was sollte ich warten? Sei keine Närrin, Dede Semid!“
    „Vor morgen wird dem Kaiser dein Fall gewiß nicht vorgetragen“, erinnerte Dede Semid behutsam.
    „Was? Welcher Fall?“
    „Der mit der Kette“, erstaunte sie und verstand Roxelane nicht. Dachte die Herrin denn nicht mehr daran, daß sie des Kaisers Geschenk zurückgegeben und seine Entscheidung heraufbeschworen habe?
    „Ach, die Kette!“ sagte Roxelane jedoch nur, als sei das alles keiner Erwähnung wert.
    Und damit nahm die Ungeduldige ihren Gang wieder auf: vom Fenster zur Tür und von der Tür zum Fenster.
    ,Wie ein Tier im Zwinger“, meinte Dede Semid bei sich.
    Roxelane aber erschrak.
    Wie nun, wenn Bolil überhaupt nicht käme, schoß es in ihr auf. Wenn er überhaupt keinen Auftrag habe? Wenigstens keinen Auftrag für sie, Roxelane? Wenn er gar der Überbringer eines Edlen Befehls an Saffieje sei?
    „Nein!“ schrie Roxelane ganz laut.
    Sofort war die Freundin an ihrer Seite.
    „Du mußt dich nicht fürchten“, tröstete    sie. „Gewiß    wird    der    Kaiser
    dich nicht verbannen. Im Gegenteil! Er    ist in seiner    eigenen    Person
    beleidigt worden und wird dir Genugtuung geben.“
    „Wovon redest du nur immer!“ schüttelte Roxelane Dede Semid aber ab. „Immer nur dies Gewäsch von der Kette? Und das bringst du
    vor, während er jetzt vielleicht bei ihr ist?!“
    Dede Semid war ganz verwirrt.
    „Bei wem?“ fragte sie.
    „Bei Saffieje natürlich, du Unverständige!“ rief Roxelane. „Aber nicht wahr“, fuhr sie nun wieder bittend fort, „ich denke manchmal an Dinge, die gar nicht sein können. Du siehst doch auch ein, daß es nicht sein kann!“
    In Wahrheit aber sah Dede Semid nicht, wo anders Soliman hätte sein sollen als bei seiner Chasseki.
    In bezug auf Roxelane baute die Gouvernante im Augenblick weit mehr auf Solimans Gerechtigkeit als auf seine Liebe. Was jedoch keinen Zweifel an der Freundin bedeutete, an die sie unerschüttert glaubte. Nur wie sich ihr Traum von Roxelanes Macht und Herrlichkeit jemals verwirklichen sollte - davon hatte Dede Semid keine Ahnung.
    So erschien ihr denn auch Roxelanes Eifersucht auf Saffieje sehr verfrüht.
    „Du hättest beten sollen“, versuchte sie auszuweichen und zugleich zu

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