Roxelane
beruhigen.
„Beten . ..?“ wiederholte Roxelane auch wirklich, als sei das ein Ausweg. „Ja, beten.“
Langsam sank sie auf ihre Knie.
Ihre Lippen bewegten sich, aber kein Laut war zu hören.
Und nun berührte sie mit ihrer Stirn den Boden.
„Laß ihn mir!“ betete sie zu ihrem und Serafims Gott. „Nur dies eine erfülle mir, lieber Gott! Nimm ihn mir nicht! Ich will dich nie mehr um etwas bitten, nur jetzt um dies eine!“
Dede Semid hütete sich, sie ihrer Versunkenheit zu entreißen, und als Schritte laut wurden, ging sie hinaus, daß man die Herrin nicht störe.
„Ich will mich nicht rächen“, versprach Roxelane, „nicht am Tschokadar wegen seiner Saumseligkeit und an niemand. Nur laß ihn kommen, den Tschokadar, laß ihn jetzt kommen. Gleich!“
Noch lange betete sie so.
Als sie aber aufsah, fand sie ihr Gebet erhört.
Gerade führte Dede Semid den Tschokadar ein, und der war auch tatsächlich der Überbringer eines Edlen Befehls, und dieser Befehl ging nicht an Saffieje. Roxelane erhob sich.
Dede Semid dachte, die Herrin sei königlich in ihrer Haltung. In Wirklichkeit aber rührte das nur daher, weil Roxelane so gar nicht erstaunt war, den Tschokadar zu sehen. In ihren Vorstellungen war der liebe Gott ein Mann, der, wenn sie nur recht innig bete, sie schon nicht völlig im Stich lassen würde.
Und nun hatte der liebe Gott es so gefügt, daß der Sultan nach ihr verlange.
Wenn man nämlich von den höfischen Wortverbrämungen absah, war das der Inhalt dessen, was Bolil vorbrachte und was Roxelane so überaus glücklich machte! So sehr war sie es, daß sie einen körperlichen Schmerz darüber verspürte.
Das Schönste aber war, daß der Befehl nicht an ,Roxelane“, sondern an ,Churrem‘ ging. Was verschlug Roxelane die gelehrte Spielerei, der sie ihren Namen verdankte? Das gotische Krimvolk der Roxelanen, nach dem die Walide sie benannt hatte, war längst verweht, und nichts hatte sie mit ihm zu tun. Soliman aber war da, und für sie war überhaupt nichts da als nur er. Und von ihm hatte sie ihren neuen Namen: Churrem. Churrem Hanum ließ Soliman zu sich entbieten, wie ,Churrem“ der letzte, zärtliche Laut von seinen Lippen gewesen war.
Doch der Krampf, der sie festhielt, wollte sich nicht entspannen. Aus dem Schmerz der Freude wurde ein bohrendes Grübeln.
Churrem war sein letztes Wort gewesen. Dann jedoch hatte es nur noch Truppen und Krieg für ihn gegeben, und an sie hatte er mit keinem armseligen Wort mehr gedacht. Warum, warum hatte sie so leiden müssen, da es ihm doch ein leichtes gewesen wäre, sie fröhlich zu machen?
Wahrlich nicht vor einer Gurrenden, Heiteren, sondern vor einer schwarzen, verschleierten Gestalt, die stumm war, stand der Tschokadar. Ganz unsicher wurde Bolil.
„Ich stehe doch vor Churrem Hanum?“ fragte er.
Dede Semid, die den Namen nie gehört hatte, wollte verneinen.
Doch Roxelane wehrte ihr.
„Es gibt keine Churrem“, sagte Roxelane. „Ich bin Seiner Majestät niedrigste Sklavin. Wer bin ich, daß ich ihm widerspräche. Aber niemals wurde ich mit der kaiserlichen Gegenwart beehrt, niemals haben Seine Majestät mich Churrem genannt. Es darf nicht sein.“
Freude und Schmerz versanken, doch etwas Übermächtiges spannte sie neu und zwang sie zu kämpfen. Das war auch eine Lust; aber eine harte und kalte, die nicht wärmte.
Bolil hingegen roch den Krieg und gab sich geschmeidig. Vielleicht biete sich hier eine Gelegenheit, hoffte er, der schwarzen Konkurrenz in einer wichtigen Sache zuvorzukommen.
„Ich weiß nicht, worauf Euer Gnaden anspielen“, beeilte er sich zu versichern. „Was es jedoch auch sein mag, so erreichte Seine Majestät meines Wissens noch kein Vortrag darüber, und wenn Euer Gnaden sich inzwischen mir anvertrauen wollten ..."
Vollkommen von Hingabe angefüllt schien der Tschokadar, ein so großer Mann er sonst auch war. Er hatte Roxelane vor Soliman gesehen, und das gab ihm einen Vorsprung vor den andern.
Doch Roxelane lehnte ab.
„Ich habe Ihnen nichts zu vertrauen“, sagte sie, „aber ich danke Ihnen für Ihren Eifer.“
„Dann werden Euer Gnaden Seiner Majestät selbst. ..?“
„Auch das nicht!“ unterbrach Roxelane. „Ich werde den Kaiser nicht sehen.“
„Roxela . ..“
,Roxelane“ wollte Dede Semid sie mahnen, doch vor Erregung mißlang ihr der Ruf.
Dede Semid verstand nichts mehr. Ihr war, wie einem Menschen sein mochte, dem sich unerwartet die Pforten des Paradieses auftun und der sich doch durch
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