Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
er morgen wieder fort ist, und es ist wieder dasselbe? Und ich weiß seine Gedanken nicht und nicht, wie er mir wiederkehrt? - Ich kann nicht, Dede Semid!“
    „Du kannst nicht?“ wiederholte Dede Semid, und da ihre Eifersucht auf den Mann und auf Soliman sich inzwischen zu heller Flamme entfacht hatte, haßte sie jetzt, was ihre Sehnsucht gewesen war. So zog sie denn die Worte lang, weil sie treffen wollte, wie man sie getroffen hatte. „Du kannst es nicht? Du brauchst es auch gar nicht. Er ist der Kaiser und wird dich ein zweites Mal nicht vor sich fordern.“
    „Sag es nicht!“ bat Roxelane. „Ich kann es nicht hören!“
    Der Ton war so flehend, daß Dede Semid wieder zu sich kam. „Aber wenn er nun wirklich nicht schickt“, murmelte sie voll Mitleid und Zweifel, „was wirst du tun?“
    „Dann . .. oh, Dede Semid“, Roxelane erhob sich und fiel der Freundin um den Hals, „dann werde ich sterben!“
    Roxelane starb jedoch keinesfalls, und es hätte sich auch nicht feststellen lassen, ob sie gestorben wäre; denn ... Soliman schickte zum zweitenmal.
    Zuerst erschrak Dede Semid beim Geräusch der vielen Füße.
    Die Abordnung war auch ernsthaft genug, obwohl nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, der Kislar Aga, sondern die Kiajai Harem an ihrer Spitze stand, die Obersthofmeisterin, die somit tat, was nicht ihres Amtes hätte sein sollen.
    Wo war Lokman Aga, der Kislar? Und . . .
    ... wo waren die Stummen . ..?
    Wenn jetzt Roxelane nicht folgte, würden sie kommen ... die Stummen.
    Doch Roxelane weigerte sich nicht mehr. Nur daß sie gerade noch ins Nebenzimmer und an ihren Spiegel eilte.
    Aber nicht um die Spuren der Tränen zu tilgen, tat sie das. Durchaus nicht! Und wenn sie ein wenig frische Farbe auf ihre Lippen legte, so war sie sich dessen kaum noch bewußt, und es geschah mehr aus Gewohnheit. Sehr mit Bedacht dagegen hob sie ihre Linke und riß mit den scharfen Nägeln schnell noch einmal über ihre Wangen, auf daß die Narben, die sie Saffiejes unbeherrschten Händen verdankte, von neuem erglühen möchten.
    Mit größter Befriedigung sah Roxelane, wie die Striemen sich zusehends röteten. Auch wehrte sie den Tränen nicht, die ihr aus einem lusterfüllten Schmerz rannen.
    Dann verhüllte sie sich wieder.
    Und nun war sie bereit.
    Die Obersthofmeisterin hatte sich freilich gedacht, daß die Hanum die Zeit anders nützen würde, und es war das sichere Anzeichen einer gewaltigen Umwälzung, daß die Würdige es bei diesem kleinen Mädchen mit einer einfachen Vorstellung bewenden ließ.
    Ob denn Churrem Hanum statt des Trauergewandes nicht lieber ein festliches Kleid anlegen möge, gab sie lediglich zu erwägen.
    Doch Roxelane verneinte.
    „Ich denke, Seine Majestät befahl“, sagte sie. „Wir dürfen den Kaiser nicht warten lassen, Exzellenz!“

15
    „Er läßt mich warten“, sagte Saffieje Sultana voll Kummer, „soweit ist es gekommen, daß er mich warten läßt!“
    Fast schien es, als wolle der Kaiser innerhalb der besonderen Bezirke des Harems das Köschk Hebetullah zu seiner Residenz erheben. Dorthin hatte er jedenfalls Saffieje Sultana entbieten lassen, und nun wartete sie im Saal der Geheimen Audienzen. Es war derselbe,
    in dem Soliman Roxelane gefunden, wo sie sich auf der Flucht vor den Stummen in den Boden verkrallt hatte. Es war der Saal der glimmenden Teppiche und der klingenden Schale.
    „Er läßt mich warten“, wiederholte Saffieje traurig.
    Niemand war bei ihr als ihre eigene Hofmeisterin und der Kislar Aga, der sie hatte bitten müssen und darum auch nicht bei Roxelane erschienen war. Als einen Getreuen ihrer Schwiegermutter zählte Saffieje ihn unbedenklich zu ihren eigenen Anhängern und verbarg sich ihm nicht.
    „Seine Majestät werden sicher nur durch dringende Geschäfte zurückgehalten sein“, tröstete die Hofmeisterin, „und Eure Hoheit dürfen nicht vergessen, daß Seine Majestät Eure Hoheit zu sich gebeten und damit unmißverständlich Höchstdero kaiserliche Zuneigung zu Eurer Hoheit haben zum Ausdruck bringen wollen.“
    „Bisher brauchte ich nicht zu kommen“, klagte Saffieje. „Immer noch war er es, der den Weg zu mir fand.“
    „Mißverständnisse, die Seine Majestät vor dem Aufbruch ins Feld noch bereinigen wollen ...“
    „Ich hätte nicht kommen sollen!“ unterbrach Saffieje ihre Hofmeisterin und stand auf. „Sie hätten mir das nicht zumuten dürfen“, wendete sie sich dann an den Kislar Aga. „Sie hätten mir abraten müssen,

Weitere Kostenlose Bücher