Roxelane
Verwandten“, seufzte Soliman nach einer Weile. „Und sie haben mir nichts getan, als daß sie geboren wurden.“
„Du hältst sie für gefährlich?“
„Sie können es werden. Nachgeborene Prinzen waren immer gefährlich für das Reich. Soll ich Tribut zahlen, wie mein Großvater ihn dem Papst zahlte, damit der ihm den Bruder verwahre? Immer wieder haben wir den Christen für solche Gefälligkeiten zahlen müssen, schon den Byzantinern, als wir selbst noch in Brussa saßen. Und es hat oft nichts genützt. Immer aber sind unsere Hände gebunden gewesen, weil irgendwo in einem fremden Palast einer unserer Prinzen saß. Jederzeit hätte man dann durch ihn den inneren Krieg entfesseln können. Wenn mehr als ein Weisel im Stock ist, schwärmen die Bienen.“ Soliman sah an Ibrahim vorbei. Sein Blick ging in die Ferne zu einem Mädchen, dem er von Orkhan und Alaeddin, den Brüdern, erzählt hatte. Ibrahim aber sah den Blick und deutete ihn richtig.
„Vielleicht würden sie dich lieben, deine Verwandten ...", flüsterte er jetzt. „Wer liebte dich nicht, der dich kennt?“
War es die Schlange im Paradies, die so sprach? Soliman fühlte sich versucht, es zu glauben. Doch dann erkannte er, daß es der Freund war.
„Das sagst du, mein Ibrahim?“ lächelte Soliman mit einer weichen Trauer. „Weil du mich in Wahrheit liebst, sprichst du so. Ich jedoch habe Sultan Halil nie gesehen und seinen Sohn, Sultan Mahmud, auch nicht. Wie also sollten sie mich lieben? Und wisse, mein Ibrahim, wer auch nur mit dem Schatten eines Anspruchs auf Herrschaft geboren wurde - dessen Liebe muß sehr groß sein, um auf die Macht verzichten zu können.“
Die Freunde blickten sich an, bis Ibrahim mit einer plötzlichen Eingebung bat:
„Wenn es denn sein muß - dann laß mich es tun.“
Aber Soliman lehnte das Anerbieten ab.
„Ich danke dir“, sagte er. „Doch was ich tue, tue ich selbst. Die Stummen mögen es vollbringen, und es mag beglaubigt werden nach der Gewohnheit. Die Frauen jedoch . . .“
Er suchte nach ihren Namen.
„Hafiten Hanum, die Frau, und Zobeide Sultana, die Tochter“, half Ibrahim aus.
„... kommen ins Neue Serail“, vollendete Soliman. „Mit kaiserlichen Ehren. Hafiten Hanum ernenne ich zur Sultana.“
„Und nimmst ihr den Sultan“, meinte Ibrahim.
„Es ist alles, was Ich tun kann“, sagte Soliman, „und du solltest nicht so bitter sein. - Warum lächelst du?“
„Ich muß daran denken, ob es wohl außer einem noch einen anderen Menschen gebe, dem das Leben zu nehmen Eure kaiserliche Majestät zaudern würden, wenn Allerhöchst Sie die Notwendigkeit dazu gegeben sähen.“
„Sprich lieber gleich: »außer einer“, verbesserte Soliman halb unwillig, halb nachsichtig. „Denn das wolltest du doch sagen?“
„Das wollte ich andeuten, Eure kaiserliche Majestät."
„Du bist eifersüchtig, Ibrahim!“
Der blieb verstockt.
„Eure Majestät geruhten, nicht zu verneinen.“
„Doch! Ich verneine!“ widersprach Soliman. „Und eifersüchtig solltest du auf die Frau, die ich liebe, nicht sein.“
Es war sehr viel, daß Soliman so sprach, daß er überhaupt zu einem Manne von Roxelane sprach. Es war fast so viel, als habe er Ibrahim ihr Gesicht gezeigt. Weiter als sein Vertrauen zu Ibrahim konnte das Vertrauen eines Moslems nicht gehen, als Soliman fortfuhr: „Gerade sie hat Großes mit dir im Sinn, das Größte!“
Ibrahim erschrak. So sehr überraschte ihn eine Gunst, von der er nie etwas geahnt hatte. Auch blieb seine Eifersucht bestehen. Eine Frau, die ihn erhöhen konnte, hatte auch die Macht, ihn zu vernichten. Was war dann er?
„Wenn sich aber der Sinn der Allerhöchstzuverehrenden wandeln sollte ...?“ warf er ein.
„Sprich nicht weiter!“ gebot Soliman. „Auch wird dir nicht gelingen, irgend etwas zu sagen, was dein Angesicht schwarz machen könnte vor mir. Wegen der einen, auf die du eifersüchtig bist, wolltest du tun, was mir obliegt - damit sich ihr Herz nicht abwende von mir, wolltest du es tun. Denn du weißt, daß ich unglücklich wäre, wenn das jemals geschähe. - Sprich nicht! - Wer so handelt, ist ein Freund, und du bist einer, das weiß ich. Ebenso unwandelbar ist aber auch meine Freundschaft zu dir. Mag ich dich noch so hoch erheben — und ich werde dich erheben! nie soll meine Gunst dir fehlen, und niemals werde ich dich töten.“
Was Soliman gesprochen hatte, war das Wort eines Kaisers.
Ibrahim aber neigte sich über Solimans Hand und küßte
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