Roxelane
Gesandtschaft mit dem Hatti Scherif für die Walide nach Konstantinopel gebracht hatte.
Die Bedeutung des Handschreibens Seiner Majestät ging schon daraus hervor, daß zur höheren Ehrung der Sultanin-Mutter kein Geringerer als ihr Schwiegersohn, der Wesir Ferhad Pascha, der Überbringer war.
Ein feierlicher Staatsakt bereitete sich vor, und zum Schauplatz wurde der große Thronsaal des Alten Serails gewählt.
Um einer Vorschrift des Korans zu genügen, wurde der Saal durch einen Schleier in zwei Räume aufgeteilt. Denn die Frauen sollten, wenn sie fremde Männer empfangen mußten, nach der medinesischen Sure ,Die Verbündeten“ hinter einem Vorhang verharren. Und wenn Hafsa Chatun den Begriff eines Sohnes auch weit genug auslegte, um ihren Schwiegersöhnen Zutritt zu sich zu gestatten, so gehörten der Gesandtschaft doch außer Ferhad Pascha noch genug Unverschnittenen Männer an, deren Anwesenheit den Vorhang zur Pflicht machte.
Vorerst war der Männerraum des Saales allerdings nur von glattrasierten Eunuchen erfüllt, an deren Spitze Hafsa Chatuns Lala, ihr Hofmeister, stand, und alle verneigten sich nun bis auf den Boden, als Solimans Mutter hinter ihrem Großen Vortritt im Kreis der anderen Sultaninnen erschien.
Denn auch Dschanfeda Sultana und Tamara Sultana, ihre Töchter, waren anwesend, obwohl sie als verheiratete Frauen ihre eigenen Harems unterhielten. Heute aber hatten sie so wenig fehlen wollen wie Saffieje Sultana. Hatte sich doch sogar Solimans Großtante, die alte Nissal Sultana, aufgerafft, um das Ereignis zu feiern, das in Ansehung der Unstimmigkeiten zwischen Soliman und der Walide nach jedermanns Überzeugung nur einen Sieg der Mutter über Roxelane und das ganze Neue Serail bringen konnte.
Der Aufzug war also eine Heerschau über alle in Konstantinopel weilenden Sultaninnen: Wer sich von den hohen Damen zur Walide bekannte, war da.
Und außer Kira Sultana waren alle gekommen.
In Saffiejes Herzen aber zitterte eine leise Hoffnung.
Sie war aus einem Stamm, der die Vielehe nicht kannte. Wie ihr Vater nur ihre Mutter zur Frau gehabt hatte, so verlangte auch sie, Solimans einzige zu sein. Und sie kannte ihn als ehrerbietigen Sohn, und da sie der Zuneigung seiner Mutter sicher und überdies noch die Mutter seines Sohnes war, hatte sie starke Gründe, nicht zu verzagen.
Von Roxelanes Schwangerschaft war auch tatsächlich nichts bekanntgeworden und ebensowenig von einer Siegesmeldung an sie.
Und nun setzten sich die Hoheiten.
Nur für die Sultaninnen waren erhöhte Sofas bereitet, die von den Hofchargen und Ehrenmädchen umstanden wurden, und zuletzt befanden sich alle an den ihnen vom Zeremonial bestimmten Plätzen.
In der Mitte ließ Ihre kaiserliche Hoheit die Sultana Walide sich nieder, ihr zur Rechten Nissal Sultana, Bajesids des Zweiten Schwester. Dieser Ehrenplatz wurde der alten Dame von der Chasseki Saffieje abgetreten, die ihn zu beanspruchen gehabt hätte, sich aber mit dem Sitz zur Linken begnügte. Rechts reihte sich dann Hafsa Chatuns Älteste, Dschanfeda Sultana, an, links ihre Zweite, Tamara
Sultana, wieder rechts ihre Jüngste, Esma Sultana, und in gleicher Weise folgten die übrigen Hoheiten nach dem Alter und dem Grad ihrer Verwandtschaft mit Soliman.
Eigentlich war Hafsa Chatun im Zweifel gewesen, ob sie die unverheiratete Esma, von der nach ihrer Meinung in Solimans Hatti Scherif ohnehin kaum die Rede sein könne, überhaupt der Zeremonie beiwohnen lassen solle. Schließlich hatte sie sich jedoch im Hinblick auf Esmas Mannbarkeit dazu entschlossen, nicht zuletzt, weil es ihren Stolz erhöhte, sich vor den Männern inmitten von drei blühenden Töchtern zeigen zu können.
Denn davon, daß die Frauen nicht gesehen würden, konnte wahrlich keine Rede sein. Ihre Asmacks trugen die Damen im Harem nicht, so leicht und durchsichtig sie meist auch sein mochten, und der Schleier inmitten des Serails war ebenfalls nur das Symbol eines Vorhangs und einer Verhüllung. Höchstens wurden alle diese Frauen und Mädchen gleichsam durch ihn verzaubert und in ein Märchen entrückt. Und seit jeher hatte sich die halbe Verhüllung als äußerst wirksam erwiesen, um in den Männern ein hoffnungsloses, den Damen um so angenehmeres Begehren zu entfachen. Hierin empfanden die Ältesten mit den Jüngsten, die weiblichen Hofstaaten mit ihren Sultaninnen, sie insgesamt fühlten sich als die Familie, als die Grundlage des Reichs und zugleich als der Kitt, der alle seine Herrlichkeit und seine
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