Roxelane
euch?“ kam Soliman dann von der Vergangenheit auf die Gegenwart.
„Ich kenne keinen Sohn Sultan Dschems“, sagte der Meister.
„Deine Hoheit kennt nur einen Mann in abendländischer Tracht, der sich Ritter Enrico di Velva nennt, und dessen Familie.“
Villiers blieb stumm.
„So will ich deiner Hoheit sagen, wer sich unter diesen Personen verbirgt. Es sind Sultan Halil, Dschems Sohn, und Halils Frau, sein Sohn, Sultan Mahmud, und seine Tochter. Es sind meine Verwandten.“ Villiers rührte sich nicht.
„Und etwas anderes will ich dir sagen“, fuhr Soliman fort. „Wenn deinem Orden die Gelegenheit günstig erscheint, wird er die Sultane gegen mich gebrauchen und einen Fürstenkrieg entfesseln in meinem Reich, einen Krieg um den Thron.“
„Ich kenne die Leute nicht, von denen deine Majestät spricht“, erklärte Villiers.
„Und unser Gesetz kennst du auch nicht“, spöttelte Soliman, „das Gesetz, das außer den Söhnen des Padischahs jeden osmanischen Prinzen mit der seidenen Schnur bedenkt?“
„Was kann dich beirren?“ fragte der Großmeister. „Du bist Papst und Kaiser in einem.“
„Ich bin ein Mensch“, sagte Soliman.
„So tue wie ich“, riet der andere, „kenne nicht, was dir nicht frommt.“
„Ich möchte . . .“, meinte Soliman sinnend, um dann plötzlich Villiers anzusehen. „Sagst du mir gut für sie?“
Keiner ließ vom andern die Augen. Beide schwiegen.
Aber jeder sah, wie es im andern rang.
„Du sagst“, begann schließlich Villiers, „daß Gott uns sieht und uns richtet. So will ich als Christ und als Ritter die Antwort finden. - Du hattest andere Gründe für deinen Krieg als unsern Verrat am Prinzen Dschem. Was aber sagte Gott? Der Eroberer Konstantinopels berannte vergeblich das unbezwingliche Rhodos. Dich ließ Gott es nehmen. Und das war Seine Antwort. - Ich will nicht lügen. Du verlangst meine Bürgschaft. Und falls ich sie gäbe? Nach mir wird ein anderer auf meinem Stuhl sitzen, und nach ihm wieder ein anderer.“
„Gibt es keinen Eid, der den Orden bindet?“ fragte Soliman.
„Band dich deines Großvaters Brief?“ gab Villiers zurück.
Da neigte der Kaiser sein Haupt.
„Ich danke dir, Villiers de l’Isle Adam“, sagte er. „Ich weiß, was dich diese Antwort kostet.“
„Dich trifft sie nicht minder.“
„Wahrlich nicht minder!“ bestätigte Soliman. „Und ich weiß auch, warum du sie gabst. Weil Allah euern Verrat mit Verrat an euch strafte.“
„Wie die Verräter!“ erklärte der Großmeister finster. „Der jüdische Doktor ist gevierteilt...“
„Ich hörte davon.“
„. . . und Amaral, der Großkanzler Andreas de Mareil, ist auch tot.“ „Ich hätte sie beide schützen müssen, wenn sie noch lebten“, sagte Soliman und fuhr mit Entschlossenheit fort: „Du aber tatest recht, und auch ich werde handeln, wie es mir das Gesetz befiehlt.“
„Wir sind beide zu bedauern“, meinte Villiers.
Dann jedoch gab ihm der Padischah das Zeichen der Entlassung. Soliman hatte ihm nicht die Hand gegeben. Und der Großmeister hatte sie ihm nicht geküßt.
Aber beide schieden, wie es Allah ihnen bestimmt hatte, mit Achtung voreinander und als Feinde.
Der Falkenmeister Ibrahim war ein stummer Zeuge der Unterhaltung gewesen. Jetzt fragte er: „Soll der Diwan kommen?“
Der Kaiser verneinte.
„Es tut mir leid“, sagte er dann, „daß ich diesen alten Mann von Haus und Hof vertreiben mußte.“
„Er könnte ein Muselman sein“, gab Ibrahim zu, „aber Häuser und Höfe hat er genug. Unter jedem Volk, das zum Papst hält, hat er mehr als eine Komturei und Meierhöfe und Güter.“
„Du meinst, der Orden hat sie“, nickte Soliman. „Wird er wiederkommen, der Orden?“
„Gewiß“, antwortete Ibrahim, ohne sich zu bedenken. „Aber von jetzt ab werden die Ritter keine Last mehr sein, wie sie es hier in Rhodos waren, sondern höchstens eine Belästigung.“
„Diese Abendländer sind gelehrige Leute“, warf Soliman ein. „Was sind diese Johanniter anderes als unsere Rabiten?“
„Die Ritter bekümmern mich nicht.“ Mit einem Blick der Liebe betrachtete Ibrahim seinen kaiserlichen Freund. „Etwas anderes macht mir Sorge. Du machst mir Sorge.“
Soliman sah auf.
„Sprich“, forderte er schließlich.
„Du erwähntest oft“, begann Ibrahim, „daß du den Kanun des Eroberers, soweit er die Prinzen betrifft, aufheben wolltest. Und nun willst du ihn anwenden? Ich weiß, daß du es nicht gern tust.“
„Es sind meine
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