Roxelane
sie.
„Mein Padischah .. .“
„Mein Bruder!“ sagte Soliman und zog ihn an seine Brust.
Bolil Aga vollendete seinen Brief an Roxelane.
Er war inzwischen abberufen worden, um zusammen mit dem Silihdar, dem kaiserlichen Schwertträger, bei einer Beurkundung als Zeuge mitzuwirken, die der Chaßoda Baschi, der Oberstankleider Seiner Majestät, mit Solimans Siegel zu versehen gehabt hatte.
„Falls der stürmische, aber günstige Wind anhalten sollte“, schrieb Bolil, „werden Euer Herrlichkeit diesen Brief mit dem Schnellsegler, der sogleich abgehen wird, in wenigen Tagen erhalten haben. Euer Gnaden werden sich also mit der Ruhe, die einer hohen Entscheidung Euer Herrlichkeit zukommt, darüber klarwerden können, ob Sie Ihre allergnädigste Gewogenheit zwei höchsten Herrschaften zuwenden wollen, die zu geleiten Euer Gnaden unwürdiger Sklave die Ehre haben wird.
Inzwischen erreicht mich nämlich Ein Edler Befehl, die Sorge für Ihre Hoheiten, Hafiten Sultana und Zobeide Sultana, zu übernehmen, bis die kaiserlichen Damen ihren Wohnsitz im Haus der Glückseligkeit aufgeschlagen haben werden, das Eure Herrlichkeit, meine allerhöchst zu verehrende Gebieterin, strahlend wie der Rubin am Sorgutsch der Erhabenheit, mit der Wonne Ihrer Anwesenheit beglücken.
Des weiteren habe ich noch zu Euer Gnaden ambraduftenden Füßen niederzulegen, daß die Hoheiten Sultan Halils und Sultan Mahmuds an diesem Tage des Sieges geruht haben, sich aller irdischen Bürde zu begeben, um nach dem Kanun des Eroberers in ein schöneres Dasein einzugehen, in dem nichts ist als Frohlocken und Jauchzen in aller Ewigkeit...“
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,.. . um nach dem Kanun des Eroberers in ein schöneres Dasein einzugehen ...‘, las Roxelane laut.
Sie las es noch einmal.
,... in dem nichts ist als Frohlocken und Jauchzen in aller Ewigkeit ...? !‘ las sie.
Und dann schrie sie auf.
„Dede Semid!“ schrie sie. „Sag mir, was das ist?! Lies! Lies es!“ Dede Semid nahm den Brief.
„Sie sind tot“, sagte sie dann. „Beide Sultane. Vater und Sohn. Man hat sie erdrosselt.“
Doch darauf warf sie den Brief fort und umschlang ihre Herrin. Roxelane war bleich in die Kissen des Sofas zurückgesunken und stöhnte.
„Du darfst dich nicht aufregen!“ beschwor Dede Semid die Freundin. „Du weißt es! Du darfst nicht!“
Sie hatte allen Grund, so zu sprechen.
Roxelane befand sich im achten Monat ihrer Schwangerschaft. Gleichsam ein Wunder war es, daß niemand außer Dede Semid und Roxelane selbst darum wußte.
Aus Besorgnis um das Kind, das unter Umständen die Thronfolge des kleinen Prinzen Mustafa in Frage stellen konnte, waren die beiden Frauen übereingekommen, diese gefährliche Schwangerschaft bis zur Rückkehr Solimans zu verheimlichen. Der Arm der Sultana Walide reichte weit, und Hebammen und Ärzte konnten Kunstfehler begehen.
Es hatte schon schlimm genug um Roxelane gestanden, als die Nachricht vom Tode Mohammed Girais’ gekommen war. Die eigenen Verwandten hatten den Khan umgebracht.
Tn vieler Hinsicht war Mohammed Girais ein großer Khan gewesen, ein Dichter und ein Weltmann, und Roxelane gegenüber hatte er sich immer freundlich gezeigt.
Ganz aufrichtig hatte ihn Roxelane betrauert. Aber damals war ihre Schwangerschaft noch nicht so vorgeschritten gewesen wie jetzt. Und der Tod zweier Osmanenprinzen betraf sie selbst auch viel mehr! Dede Semid verzweifelte fast.
Roxelanes erster Aufschrei und das erstickte Stöhnen aus den Kissen ließen die Freundin nicht so erschauern wie jetzt das Aufrichten der Schwangeren und deren Schweigen.
Stumm saß Roxelane da. Ihr Blick aber ging in die Ferne.
Soliman, der ihres Kindes Schutz hätte sein sollen, war wie die meisten seiner Vorfahren den Weg des Eroberers gegangen. Völlig verlassen kam Roxelane sich vor mit ihrem Kind, mit dem Kind des Mörders.
Unheimlich wurde es Dede Semid. Sie kniete vor Roxelane, sie bat, sie flehte ... .
„Er hat es getan ..flüsterte Roxelane endlich; aber dabei sah sie ihre Freundin nicht an.
„Was?“ fragte Dede Semid.
„Habe ich es dir nicht erzählt?“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
„Natürlich habe ich es dir nicht erzählt“, sagte Roxelane, und immer noch war es, als spreche sie zu sich selbst. „Wie sollte ich auch. Es war ja sein Versprechen! Ein Vertrag war es zwischen ihm und mir. Kein anderer brauchte davon zu wissen. Von niemand wollte ich eine Bestätigung. - Ich glaubte ihm!“
„Was glaubtest du?“ lockte Dede Semid.
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