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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dem Hintern wegziehen.
     

8.
    Ich landete mit dem Po auf kaltem Stein und ich hatte einen Keks in der Hand. Jedenfalls fühlte es sich genauso an wie ein Keks. Um mich herum herrschte absolute Dunkelheit, schwärzer als schwarz. Ich hätte vor Angst wie gelähmt sein müssen, aber seltsamerweise fürchtete ich mich überhaupt nicht. Vielleicht lag es an Mr Georges beruhigenden Worten, vielleicht war ich mittlerweile aber auch einfach schon daran gewöhnt. Ich steckte den Keks in den Mund (wirklich lecker!), dann tastete ich nach der Taschenlampe um meinem Hals und zog die Schnur über meinen Kopf.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich den Schalter fand. Im Lichtkegel der Lampe sah ich die Bücherregale, ich erkannte den Kamin wieder (leider kalt und ohne Feuer), das Gemälde darüber war dasselbe, das auch vorhin dort gehangen hatte, das Porträt des Zeitreisenden mit weißer Lockenperücke, Graf von Dingsbums. Eigentlich fehlten nur ein paar Sessel und kleine Tische und - ausgerechnet - das gemütliche Sofa, auf dem ich gesessen hatte.
    Mr George hatte gesagt, ich solle einfach warten, bis ich zurückspränge. Möglicherweise hätte ich das auch getan, wenn das Sofa noch hier gestanden hätte. Es konnte aber wohl nicht schaden, einen Blick vor die Tür zu werfen.
    Vorsichtig tastete ich mich vorwärts. Die Tür war abgeschlossen. Nun gut. Wenigstens musste ich nicht mehr auf die Toilette.
    Im Schein der Taschenlampe suchte ich den Raum ab. Vielleicht fand ich ja einen Hinweis auf das Jahr, in dem ich mich befand. Möglicherweise hing ein Kalender an der Wand oder es lag einer auf dem Schreibtisch.
    Der Schreibtisch war voller zusammengerollter Papiere, Bücher, aufgerissener Briefe und Schatullen. Der Lichtstrahl erfasste ein Tintenfass und Schreibfedern. Ich nahm ein Blatt in die Hand. Es fühlte sich dick und rau an. Die Schrift darauf war nur schwer zu entziffern vor lauter Schnörkel.
    »Sehr verehrter Herr Doktor«,
stand dort.
»Ihr Brief hat mich heute erreicht, er war nur neun Wochen unterwegs. Man kann über diese Schnelligkeit nur staunen, wenn man bedenkt, welch weiten Weg Ihr amüsanter Bericht zur Lage in den Kolonien zurückgelegt hat.«
    Ich musste grinsen. Neun Wochen für einen Brief! Und da beschwerten sich die Leute immer über die unzuverlässige britische Post. Okay, ich befand mich also in einer Zeit, in der die Briefe noch mit Brieftauben zugestellt wurden. Oder mit Schnecken.
    Ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl und las noch ein paar weitere Briefe. Ziemlich langweiliges Zeug. Die Namen sagten mir auch nichts. Anschließend untersuchte ich die Schatullen. Die erste, die ich öffnete, war voller Siegelstempel mit kunstvoll gearbeiteten Motiven. Ich suchte nach einem zwölfzackigen Stern, aber es gab nur Kronen, ineinander verschlungene Buchstaben und organische Muster. Sehr hübsch. Ich fand auch Siegelwachskerzen in allen Farben, sogar in Gold und Silber.
    Die nächste Schatulle war abgeschlossen. Vielleicht gab es ja einen Schlüssel in einer der Schubladen. Diese kleine Schatzsuche machte allmählich richtig Spaß. Sollte das, was sich in der Schatulle befand, mir gefallen, würde ich es einfach mitnehmen. Nur so zum Test. Mit dem Keks hatte es ja auch geklappt. Ich würde Leslie ein kleines Souvenir mitbringen, das dürfte ja wohl erlaubt sein.
    In den Schubladen unter dem Schreibtisch fand ich weitere Federkiele und Tintenfässchen, Briefe, sorgfältig in ihren Umschlägen aufbewahrt, gebundene Notizbücher, eine Art Dolch, ein kleines Sichelmesser und - Schlüssel.
    Viele, viele Schlüssel in vielerlei Formen und Größen. Leslie wäre entzückt gewesen. Wahrscheinlich gab es in diesem Raum zu jedem dieser Schlüssel ein Schloss und hinter jedem Schloss ein kleines Geheimnis. Oder einen Schatz.
    Ich probierte ein paar Schlüssel aus, die klein genug für das Schloss der Schatulle aussahen. Aber der passende war nicht dabei. Schade. Wahrscheinlich befanden sich darin wertvolle Schmuckstücke. Vielleicht sollte ich gleich die ganze Schatulle einstecken? Aber sie war ein wenig unhandlich und viel zu groß für die Innentasche meiner Jacke.
    In der nächsten Schachtel befand sich eine Pfeife. Eine hübsche zwar, kunstvoll geschnitzt, wahrscheinlich aus Elfenbein, aber das war auch nicht das Richtige für Leslie. Vielleicht sollte ich ihr eines der Siegel mitbringen? Oder den hübschen Dolch? Oder eins der Bücher?
    Natürlich wusste ich, dass man nicht stehlen durfte, aber das hier

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