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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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machen müssen. Wozu wäre das gut gewesen?«
    Mr George winkte ab. »Vergiss diesen Unsinn. Deine Tante Glenda hat darauf bestanden, dass wir die Stelle überwachen lassen sollten. Wir hätten dann Gideon mit der Positionsbeschreibung in die Vergangenheit schicken sollen und die Wächter hätten Charlotte erwarten und beschützen können, bis sie wieder zurückgesprungen wäre.«
    »Ja, aber man konnte doch gar nicht wissen, in welche Zeit sie gesprungen wäre. Da hätten die Wächter diese Stelle möglicherweise jahrzehntelang rund um die Uhr bewachen müssen!«
    »Ja«, seufzte Mr George. »Genau! Jetzt bin ich aber wieder dran. Kannst du dich noch an deinen Großvater erinnern?«
    »Natürlich. Ich war ja schon zehn, als er starb. Er war ganz anders als Lady Arista, lustig und gar nicht streng. Er hat meinem Bruder und mir immer Gruselgeschichten erzählt. Kannten Sie ihn auch?«
    »Oh ja! Er war mein Mentor und mein bester Freund.« Mr George schaute eine Weile nachdenklich ins Feuer. »Wer war der kleine Junge?«, fragte ich. »Welcher kleine Junge?«
    »Der kleine Junge vorhin, der sich an Dr. Whites Jackett festgeklammert hat.«
    »Wie bitte?« Mr George wandte den Blick vom Feuer und sah mich verwirrt an.
    Also wirklich! Noch deutlicher konnte ich mich doch kaum ausdrücken. »Ein kleiner blonder Junge, etwa sieben Jahre alt. Er stand neben Mr White«, sagte ich betont langsam.
    »Aber da war kein kleiner Junge«, sagte Mr George. »Machst du dich über mich lustig?«
    »Nein«, sagte ich. Mit einem Schlag hatte ich begriffen, was ich gesehen hatte, und ich ärgerte mich, dass ich es nicht sofort gemerkt hatte.
    »Ein kleiner blonder Junge, sagst du? Sieben Jahre alt?«
    »Vergessen Sie's.« Ich tat so, als würde ich mich brennend für die Bücher im Regal hinter mir interessieren.
    Mr George schwieg zwar, aber ich spürte seine forschenden Blicke auf mir.
    »Jetzt bin ich wieder dran«, sagte er schließlich.
    »Das ist ein dummes Spiel. Können wir nicht stattdessen Schach spielen?« Auf dem Tisch stand ein Schachspiel. Aber Mr George ließ sich nicht ablenken.
    »Siehst du manchmal Dinge, die andere nicht sehen?«
    »Kleine Jungen sind keine Dinge«, sagte ich. »Aber, ja, ich sehe manchmal Dinge, die andere nicht sehen.« Ich wusste selber nicht, warum ich ihm das anvertraute.
    Aus irgendeinem Grund schienen ihn meine Worte zu erfreuen. »Erstaunlich, wirklich erstaunlich. Seit wann hast du diese Gabe?«
    »Die habe ich schon immer gehabt.«
    »Faszinierend!« Mr George sah sich um. »Bitte sag mir doch, wer hier alles außer uns noch sitzt und lauscht.«
    »Wir sind allein.« Ich musste ein bisschen lachen, als ich Mr Georges enttäuschtes Gesicht sah.
    »Oh, und ich hätte schwören können, dass es in diesem Gemäuer von Geistern nur so wimmelt. Speziell in diesem Raum.« Er nahm einen Schluck Tee aus seiner Tasse. »Möchtest du vielleicht Kekse? Mit Orangenfüllung.«
    »Ja, gern.« Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass er die Kekse erwähnt hatte, aber das mulmige Gefühl kehrte plötzlich in meinen Magen zurück. Ich hielt den Atem an.
    Mr George stand auf und kramte in einem Schrankfach herum. Das Schwindelgefühl wurde stärker. Mr George würde nicht schlecht staunen, wenn er sich umdrehte und ich wäre einfach verschwunden. Vielleicht sollte ich ihn besser vorwarnen. Er könnte ein schwaches Herz haben.
    »Mr George?«
    »Jetzt bist du wieder an der Reihe, Gwendolyn.« Er ordnete die Kekse liebevoll auf einem Teller an, beinahe, wie Mr Bernhard es immer tat. »Und ich glaube, ich kenne sogar die Antwort auf deine Frage.«
    Ich horchte in mich hinein. Der Schwindel ließ ein wenig nach. Okay, Fehlalarm.
    »Also angenommen, ich würde in eine Zeit reisen, als es dieses Gebäude noch gar nicht gegeben hat. Würde ich dann unter der Erde landen und ersticken?«
    »Oh! Und ich dachte, du würdest mich nach dem kleinen blonden Jungen fragen. Na gut, also: Nach allem, was wir wissen, ist noch nie jemand weiter als fünfhundert Jahre zurückgereist. Auch am Chronografen kann man das Datum für den Rubin, also dich, nur bis 1560 nach Christus einstellen, dem Geburtsjahr des ersten Zeitreisenden im Kreis, Lancelot de Villiers. Wir haben das schon oft bedauert. Es entgehen einem so viele hochinteressante Jahre . . . Hier, nimm einen. Es sind meine Lieblingskekse.«
    Ich griff danach, obwohl der Teller mit einem Mal vor meinen Augen verschwamm und ich das Gefühl hatte, jemand würde mir das Sofa unter

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