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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ein Lächeln sein? Wenn ja, musste er das aber noch mal vorm Spiegel üben.
    »Nein danke. Ich stehe lieber.« Noch einen Schritt zurück, bis ich fast gegen eine nackte Putte stieß, die rechts neben der Tür auf einem Sockel stand. Je mehr Abstand zwischen mir und den schwarzen Augen, desto sicherer.
    »Und Ihr wollt wirklich aus dem 21. Jahrhundert kommen?«
    Na, von
wollen
konnte eigentlich keine Rede sein. Ich nickte aber.
    Lord Brompton rieb sich die Hände. »Also dann - nun: Welcher König regiert England im 21. Jahrhundert?«
    »Wir haben einen Premierminister, der das Land regiert«, sagte ich zögernd. »Die Königin kümmert sich nur mehr um repräsentative Aufgaben.«
    »Die Königin?«
    »Elisabeth II. Sie ist sehr nett. Sie ist sogar zu unserem Multinationen-Schulfest im vergangenen Jahr gekommen. Wir haben die Nationalhymne in sieben verschiedenen Sprachen gesungen und Gordon Gelderman hat sich ein Autogramm in sein Englischbuch geben lassen und es anschließend für achtzig Pfund bei eBay versteigert. Ähm, aber das wird Ihnen natürlich nichts sagen. Jedenfalls haben wir einen Premierminister und ein Kabinett mit Abgeordneten, die vom Volk gewählt werden.«
    Lord Brompton lachte anerkennend. »Das ist eine lustige Vorstellung, nicht wahr, Rakoczy? Höchst amüsant, was sich der Graf da wieder ausgedacht hat. Und wie sieht es im 21. Jahrhundert in Frankreich aus?«
    »Ich glaube, die haben da auch einen Premierminister. Keinen König, soviel ich weiß, auch nicht zu Repräsentationszwecken. Mit der Revolution haben sie den Adel einfach abgeschafft und den König gleich mit. Die arme Marie Antoinette haben sie geköpft. Ist das nicht furchtbar?«
    »Oh ja«, lachte der Lord. »Die Franzosen sind überhaupt ganz fürchterliche Menschen. Deshalb vertragen wir Engländer uns auch nicht mit ihnen. Verratet mir doch: Mit wem führen wir im 21. Jahrhundert Krieg?«
    »Mit niemandem?«, sagte ich, ein bisschen unsicher. »Jedenfalls nicht wirklich. Wir mischen uns nur hier und da mal ein, im Nahen Osten und so. Ehrlich gesagt habe ich aber von Politik überhaupt keine Ahnung. Fragen Sie mich lieber etwas über... Kühlschränke. Natürlich nicht, wie sie funktionieren, das weiß ich nämlich nicht. Ich weiß nur,
dass
sie funktionieren. In jeder Wohnung in London steht so ein Kühlschrank und Sie können darin Käse, Milch und Fleisch tagelang aufbewahren.«
    Lord Brompton sah nicht aus, als würde er sich besonders für Kühlschränke interessieren. Rakoczy räkelte sich auf seinem Stuhl wie eine Katze. Ich hoffte, er würde nicht auf die Idee kommen aufzustehen.
    »Sie können mich auch nach Telefonen fragen«, sagte ich schnell. »Obwohl ich nicht erklären kann, wie sie funktionieren.« Wie ich Lord Brompton einschätzte, würde er es auch gar nicht verstehen. Er sah ehrlich gesagt aus, als würde es sich nicht mal lohnen, ihm das Prinzip der Glühbirne zu erklären. Ich suchte nach etwas anderem, was ihn interessieren könnte.
    »Und nach, Ähm ... es gibt auch einen Tunnel zwischen Dover und Calais, der unter dem Kanal hindurchgeht.«
    Das fand Lord Brompton ungeheuer komisch. Er schlug sich vor Lachen auf die gewaltigen Schenkel. »Köstlich! Köstlich!«
    Ich begann mich gerade ein bisschen zu entspannen, als Rakoczy zum ersten Mal etwas sagte. Er sprach Englisch mit einem harten Akzent. »Was ist mit Transsilvanien?«
    »Transsilvanien?« Die Heimat von Graf Dracula? Meinte er das ernst? Ich vermied einen Blick in die schwarzen Augen. Vielleicht
war
das ja Graf Dracula! Der Teint würde auf jeden Fall passen.
    »Meine Heimat in den schönen Karpaten. Das Fürstentum von Transsilvanien. Was passiert in Transsilvanien im 21. Jahrhundert?« Die Stimme klang ein wenig kratzig. Und es lag durchaus etwas wie Sehnsucht darin. »Und was macht das Volk der Kuruzzen?«
    Das Volk der bitte was? Kuruzzen? Nie gehört.
    »Na, also, um Transsilvanien ist es eigentlich in unserer Zeit recht still«, sagte ich vorsichtig. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht mal, wo das lag. Die Karpaten kannte ich auch nur aus der Redensart. Wenn Leslie über ihren Onkel Leo in Yorkshire sprach, dann pflegte sie »Der wohnt irgendwo in den Karpaten« zu sagen und für Lady Arista war schon alles jenseits von Chelsea »Karpaten«. Naja, aber wahrscheinlich wohnten in Wirklichkeit die Kuruzzen in den Karpaten.
    »Wer regiert Transsilvanien im 21. Jahrhundert?«, wollte Rakoczy wissen. Er nahm eine angespannte Haltung an, als würde

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