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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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er jeden Augenblick vom Stuhl aufspringen wollen, falls meine Antwort unbefriedigend ausfallen würde.
    Hm, hm. Das war eine wirklich gute Frage. Gehörte es zu Bulgarien? Oder Rumänien? Oder Ungarn?
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich ehrlich. »Es ist so weit weg. Ich werde Mrs Counter danach fragen. Das ist unsere Erdkundelehrerin.«
    Rakoczy sah enttäuscht aus. Vielleicht hätte ich ihn besser anlügen sollen.
Transsilvanien wird von Fürst Dracula regiert, schon seit zweihundert Jahren. Es ist ein Naturreservat für ansonsten ausgestorbene Fledermausarten. Die Kuruzzen sind die glücklichsten Menschen Europas.
Wahrscheinlich hätte ihm das besser gefallen.
    »Und wie sieht es in den Kolonien aus im 21. Jahrhundert?«, fragte Lord Brompton.
    Erleichtert sah ich, dass Rakoczy sich wieder zurückgelehnt hatte. Und er zerfiel auch nicht zu Staub, als jetzt die Sonne durch die Wolkendecke brach und das Zimmer in strahlend helles Licht tauchte.
    Eine Weile plauderten wir beinahe entspannt über Amerika und Jamaika und über einige Inseln, von denen ich zu meiner Schande noch nie etwas gehört hatte. Lord Brompton zeigte sich recht bestürzt darüber, dass sie sich nun allesamt selbst regierten. (Wovon ich einfach mal ausging, ganz sicher war ich mir nicht.) Natürlich glaubte er mir kein Wort und brach immer wieder in Gelächter aus. Rakoczy beteiligte sich nicht mehr an unserem Gespräch, er betrachtete nur abwechselnd seine langen, krallenähnlichen Fingernägel und die Tapete. Ab und an sah er auch zu mir herüber.
    »Ach, nun finde ich es richtig deprimierend, dass Ihr nur eine Schauspielerin seid«, seufzte Lord Brompton. »Wie schade, denn ich würde Euch nur zu gern glauben.«
    »Tja«, sagte ich verständnisvoll. »An Ihrer Stelle würde ich das alles auch nicht glauben. Leider gibt es keine Beweise . . . Oh, warten Sie mal!« Ich griff mir ins Dekollete und holte das Handy heraus.
    »Was ist das? Ein Zigarrenetui?«
    »Nein!« Ich klappte das Handy auf. Es piepste, weil es kein Netz fand. Natürlich nicht. »Das ist ein ... na egal. Ich kann damit Bilder machen.«
    »Bilder malen?«
    Ich schüttelte den Kopf und hielt das Handy in die Höhe, sodass der Lord und Rakoczy im Display erschienen. »Lächeln Sie doch mal. So, fertig.« Weil die Sonne so hell schien, hatte es nicht geblitzt. Schade. Das hätte die beiden sicher schwer beeindruckt.
    »Was war das?« Lord Brompton hatte seine Fettmassen erstaunlich schnell in die Höhe gewuchtet und kam zu mir. Ich zeigte ihm das Bild auf dem Display. Er und Rakoczy waren wunderbar getroffen.
    »Aber - was ist das? Wie ist das möglich?« »Wir nennen es fotografieren«, sagte ich. Lord Bromptons dicke Finger strichen begeistert über das Handy. »Großartig! Rakoczy, das müsst Ihr Euch anschauen.« »Nein danke«, sagte Rakoczy träge.
    »Ich weiß nicht, wie Ihr das macht, aber es ist der beste Trick, den ich je gesehen habe. Oh, was ist jetzt passiert?«
    Auf dem Display war Leslie zu sehen. Der Lord hatte eine Taste gedrückt.
    »Das ist meine Freundin Leslie«, sagte ich sehnsüchtig. »Das Bild ist von letzter Woche. Sehen Sie, da hinter ihr, das ist die Marylebone High Street, das Sandwich ist von
Pret á Manger und
da ist der Aveda-Shop, sehen Sie? Meine Mum kauft da immer ihr Haarspray.« Ich hatte plötzlich wahnsinniges Heimweh. »Und das da ist ein Stück von einem Taxi. Eine Art Kutsche, die ohne Pferde fährt. . .«
    »Was wollt Ihr für dieses Trickkästchen haben? Ich zahle Euch jeden Preis, jeden!«
    »Ähm, nein, wirklich, das ist nicht zu verkaufen. Ich brauche es noch.« Mit einem bedauernden Achselzucken klappte ich das Trickkästchen - äh -, das Handy zu und ließ es wieder in sein Versteck im Mieder gleiten.
    Keinen Augenblick zu früh, denn die Tür öffnete sich und der Graf und Gideon kehrten zurück, der Graf vergnügt lächelnd, Gideon eher ernst. Jetzt erhob sich auch Rakoczy von seinem Stuhl.
    Gideon warf mir einen prüfenden Blick zu, den ich trotzig erwiderte. Hatte er geglaubt, ich hätte mich in der Zwischenzeit aus dem Staub gemacht? Das würde ihm eigentlich recht geschehen. Schließlich hatte er mir erst eingeschärft, sich auf jeden Fall an ihn zu halten, um mich gleich bei der nächstbesten Gelegenheit allein zu lassen.
    »Und? Würde es Euch gefallen, im 21. Jahrhundert zu leben, Lord Brompton?«, fragte der Graf.
    »Unbedingt! Welch köstliche Ideen Ihr habt«, sagte der Lord und klatschte in die Hände. »Das war wirklich

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