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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sehr amüsant.«
    »Ich wusste, es würde Euch gefallen. Aber Ihr hättet dem armen Kind ruhig einen Platz anbieten können.«
    »Oh, das habe ich auch. Aber sie wollte lieber stehen.« Der Lord beugte sich vertraulich vor. »Ich würde
wirklich
gern diesen silbernen Schrein erwerben, lieber Graf.«
    »Den silbernen Schrein?«
    »Wir müssen uns jetzt leider verabschieden«, sagte Gideon, durchquerte mit wenigen Schritten den Raum und stellte sich neben mich.
    »Ich verstehe, ich verstehe! Das 21. Jahrhundert wartet natürlich«, sagte Lord Brompton. »Herzlichen Dank für den Besuch. Es war ganz wunderbar amüsant.«
    »Dem kann ich mich nur anschließen«, sagte der Graf.
    »Ich hoffe, wir haben noch einmal das Vergnügen«, sagte Lord Brompton.
    Rakoczy sagte nichts. Er sah mich nur an. Und plötzlich war mir, als würde sich eine eisige Hand auf meine Kehle legen. Ich schnappte erschrocken nach Luft und blickte an mir hinab. Es war nichts zu sehen. Und doch spürte ich ganz genau die Finger, die sich um meinen Hals schlossen.
    »Ich kann jederzeit zudrücken.«
    Es war nicht Rakoczy, der das sagte, es war der Graf. Aber er bewegte dabei nicht die Lippen.
    Verwirrt sah ich von seinem Mund auf seine Hand. Sie war mehr als vier Meter von mir entfernt. Wie konnte sie gleichzeitig auf meinem Hals liegen? Und warum hörte ich seine Stimme in meinem Kopf, obwohl er gar nicht sprach?
    »Ich weiß nicht genau, welche Rolle du spielst, Mädchen, oder ob du überhaupt wichtig bist. Aber ich dulde nicht, dass man gegen meine Regeln verstößt. Das nur als Warnung. Hast du das verstanden?«
Der Druck der Finger verstärkte sich.
    Ich war vor Angst wie gelähmt. Ich konnte ihn nur anstarren und nach Luft japsen. Merkte denn niemand, was gerade mit mir geschah?
    Ob du das verstanden hast?
    »Ja«, flüsterte ich.
    Sofort lockerte sich der Griff, die Hand entfernte sich. Frei konnte die Luft in meine Lungen strömen.
    Der Graf kräuselte seine Lippen und schüttelte sich das Handgelenk.
    »Wir sehen uns wieder«, sagte er.
    Gideon verneigte sich. Die drei Männer erwiderten seine Verneigung. Nur ich blieb stocksteif stehen, nicht in der Lage, auch nur ein Glied zu rühren, bis Gideon nach meiner Hand griff und mich aus dem Raum zog.
     
    Auch als wir wieder in der Kutsche saßen, wollte die Anspannung nicht von mir weichen. Ich fühlte mich matt und kraftlos und auf eine Art auch beschmutzt.
    Wie hatte der Graf es angestellt, mit mir zu sprechen, ohne dass die anderen es hören konnten? Und wie war es ihm gelungen, mich zu berühren, obwohl er vier Meter von mir entfernt gestanden hatte? Meine Mutter hatte doch recht gehabt, es stimmte, was man über ihn sagte: Er war in der Lage, in den Geist eines Menschen einzudringen und dessen Empfindungen zu kontrollieren. Ich hatte mich von seinem eitlen, sprunghaften Geschwätz und seinem gebrechlichen Äußeren täuschen lassen. Ich hatte ihn hoffnungslos unterschätzt. Wie dumm von mir.
    Überhaupt hatte ich diese ganze Geschichte unterschätzt, in die ich hineingeraten war.
    Die Kutsche hatte sich in Bewegung gesetzt und schaukelte genauso heftig wie auf der Hinfahrt. Gideon hatte dem Wächter im gelben Rock Anweisung gegeben, sich zu beeilen. Als ob das nötig gewesen wäre. Er war doch auf der Hinfahrt schon gefahren wie ein Lebensmüder.
    »Alles in Ordnung mit dir? Du siehst aus, als ob du einen Geist getroffen hättest.« Gideon streifte seinen Mantel ab und legte ihn neben sich. »Ganz schön heiß für September.«
    »Keinen Geist«, sagte ich, unfähig, ihm in die Augen zu sehen. Meine Stimme zitterte leicht. »Nur den Grafen von Saint Germain und eines seiner
Kunststücke.«
    »Er war nicht besonders höflich zu dir«, räumte Gideon ein. »Aber das war ja zu erwarten. Offenbar hatte er eine andere Vorstellung davon, wie du zu sein hast.«
    Als ich nichts erwiderte, fuhr er fort: »In den Prophezeiungen wird der zwölfte Zeitreisende immer als etwas Besonderes geschildert.
Begabt mit der Magie des Raben.
Was immer das auch heißen mag. Der Graf schien jedenfalls nicht gewillt zu sein, mir zu glauben, dass du nur eine gewöhnliche Schülerin bist.«
    Seltsamerweise verdrängte diese Bemerkung auf der Stelle das kraftlose, elende Gefühl in mir, das die Phantomberührung des Grafen in mir ausgelöst hatte. Anstelle der Mattigkeit und Angst spürte ich jetzt bodenlose Gekränktheit. Und Wut. Ich biss mir auf die Lippen.
    »Gwendolyn?«
»Was?«
    »Das sollte keine Beleidigung

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