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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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Im Gegensatz zu seinem Bruder Ray, der klein und rund war wie ein Bierfass, war Parker groß, mit grau-schwarzem Haar und dichten, zusammengewachsenen Brauen, die über stürmischen, dunkelgrünen Augen Wache hielten. Aber neben dem anderen Polizisten wirkte selbst Parker wie ein Zwerg.
    »Das ist Trooper Scott Sargent«, sagte Parker, und dann setzten Daddy und die beiden sich zu mir an den Küchentisch. Trooper Sargent hatte einen blank rasierten Schädel, aber ein nettes Gesicht. Seine Augen waren haselnussbraun wie meine eigenen, und seine Mundwinkel zeigten schwungvoll nach oben. Er legte seinen Hut auf den Tisch und faltete die Hände, während er mir Fragen stellte. Warum ich meine Mutter Carlie nannte. Ob sie manchmal ohne Grund traurig war. Ob sie flüsterte, wenn sie am Telefon war. Ob sie irgendwann davon gesprochen hatte, dass sie fortgehen wollte. Ob sie manchmal ohne jeden Grund wütend wurde. Ob schon mal fremde Männer im Haus gewesen waren, wenn Daddy nicht da war. Ob ich irgendwann gesehen hatte, dass sie mit fremden Männern sprach.
    »Mike«, sagte ich, obwohl Patty gemeint hatte, er hätte nichts damit zu tun.
    Trooper Sargent sah Daddy und Parker an.
    »Das ist der Vollidiot - entschuldige, Florine -, mit dem wir schon geredet haben. Patty hatte ihn erwähnt«, erklärte Parker dem Trooper. »Er hat ein Alibi. An dem Tag, als Carlie verschwunden ist, war er mit seiner Frau im Krankenhaus, weil sie ihr erstes Kind bekommen haben.«
    Danach gingen Parker und Trooper Sargent. Daddy brachte sie zur Tür. Dann setzte er sich mir gegenüber und sagte: »Bald Zeit fürs Abendessen. Was möchtest du?«
    Als er den Ausdruck auf meinem Gesicht sah, kam er sofort zu mir und drückte mich so fest an sich, dass mir die Tränen seitwärts an den Wangen runterliefen.
     
    Der August tickte hinüber in den September. Ich saß oft stundenlang auf dem großen weißen Stein am Ende unserer Einfahrt und beobachtete die Straße, lauschte auf das Geräusch eines Autos, hielt Ausschau nach einer zierlichen Frau, die den Hügel herab- und auf mich zukam. Die Tage gingen vorüber, und ich fühlte mich wie taub. Dottie hockte stundenlang bei mir, und ab und zu kamen auch Bud und Glen vorbei. Aber die meiste Zeit saßen wir nur herum und schwiegen, weil ich an nichts anderes denken konnte als daran, dass meine Mutter verschwunden war. Meine Mutter, die mir noch vor einem Monat die Zehennägel knallrot angemalt hatte. Der Lack war mittlerweile halb abgeplatzt, aber wenn ich auf meine Füße schaute, dachte ich an ihre kleinen Hände, die ruhig und gleichmäßig pinselten.
    Daddy kaufte mehr ‘Gansett und erweiterte seine Getränkeauswahl um Wodka. Jeden Abend saß er vor dem Fernseher, während ich auf dem Sofa neben seinem Sessel einschlief. Jeden Morgen wachte ich in meinem Bett auf, in das Daddy mich getragen hatte. Und den ganzen Tag über betete ich, dass meine Mutter zurückkommen würde.

8
     
    Als ich sechs war, besuchten wir einmal Charlies Familie in Massachusetts. Wir fuhren mit Daddys altem grünen Pick-up. Carlie war im Auto sehr still. Es war eine lange Fahrt.
    Ich hatte meine Großeltern Collins noch nie gesehen. Sie hatten mir auch nie ein Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk geschickt, nicht einmal eine Karte. Ich wusste, dass Carlie einen Bruder hatte, Robert, dass er mein Onkel war und seine Kinder meine Vettern und Cousinen, aber Carlie hatte keine Fotos von ihnen, und sie sprach nicht über sie. Es machte mir nichts aus, dass ich sie nicht kannte, denn mein Leben war mit all den anderen Menschen um mich herum gut ausgefüllt. Daddy hatte sie auch noch nie gesehen. Aber schließlich schaffte er es, Carlie zu einem Besuch zu überreden, zum Teil auch meinetwegen.
    »Florine sollte deine Seite der Familie kennen«, sagte Daddy zu ihr. »Vielleicht braucht sie sie eines Tages. Grand und ich sind alles, was sie von meiner Seite hat.«
    Carlie war nicht erpicht darauf, doch sie willigte ein.
    In The Point wurden die Häuser jeden Sommer gestrichen. Der Rasen wurde gemäht, was kaputt war, wurde repariert, und gepflegte Blumen- und Gemüsegärten holten das Beste aus dem kargen Boden heraus. In der Stadt, wo Carlie aufgewachsen war, hatte der Gehweg an der Hauptstraße Risse, durch die das Gras spross. An den Ecken standen Leute herum und schauten uns nach. Riesige Gebäude nahmen Block um Block ein. Carlie sagte, es wären Leinenwebereien gewesen und sie stünden schon seit ihrer Geburt leer, oder

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