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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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aber er wird nicht zurückschlagen – kann es in dieser Situation einfach nicht. Mir fehlt dennoch der Mut. Meine nervöse Energie ist in den vergangenen Minuten restlos verbrannt. Ich habe Angst. Du musst handeln! Ich kann nicht, habe einfach keine Kraft, den Bauriedl zu schlagen.
    Was soll ich nur tun, verdammt noch mal?
    »Ich werde das Geld spenden – für einen guten Zweck«, meine Stimme überschlägt sich. Du elender Feigling!
    »Dem Synagogenrat wohl?«, erkundigt sich Bauriedl.
    »Jetzt ist es aber genug, Herrschaften«, ruft die Taucher bestimmt.
    Augenblicklich wird es still.
    Ich habe verloren! Immer noch halte ich Kraxmayers Hunderter in der Hand. Tränen schießen mir in die Augen. Raus! Nur raus hier! Sonst sehen die mich noch flennen. Ich laufe los. Werfe die Tür zu. Renne zur Toilette, stürze in die erste Kabine, schlage meinen Kopf gegen die Holzwand. Weine, weine. Scheißdeutsche!

UMSONST IM PUFF
    Ich kann nicht ewig im Klo bleiben. Bald ist Pause. Die Kerle dürfen mich nicht heulen sehen. Also weg! Aber wohin? Hör erst mal auf zu flennen und denke. Zurück in die Klasse geht nicht. Dann sehen sie, dass ich geweint habe, und lachen. Ich reiße einen langen Streifen von der Papierrolle, rotze rein. Du musst raus aus dem Laden!
    Ich renne aus dem Schulgebäude, überquere die Lerchenfeldstraße, schwinge mich über die Stahlbarriere in den Englischen Garten. Drüben haben sie jetzt Pause. Wenn ich jetzt einfach zurückgehe und tue, als ob nichts geschehen wäre? »Es hat wohl nichts mehr zu verschachern gegeben, Rubinstein?«
    Ich kann doch nicht den ganzen Tag im Englischen Garten verbringen. Nach Hause? »Weshalb kommst du schon jetzt?« Bloß das nicht! Lass mal ruhig überlegen, Reb Jid. Zunächst, was tu ich mit dem Geld? Rotes Kreuz? Tierschutzverein oder der übrige Käse? Vielleicht wirklich der jüdischen Gemeinde spenden? Ach was – die haben genug. Einfach einsacken ist auch blöd. Ich hab’s: Ich geh in den Puff. Du spinnst! Wieso? Von Sex habe ich noch keine Ahnung. Ich war zwar schon ’n paarmal mit Itzi und Heini im Puff, aber natürlich hat keiner von uns gewagt, mit einer Hure mitzugehen. Außerdem ist es ganz schön teuer. Genau, das ist es! Der Kraxä lädt mich ja ein – ohne es selbst zu wissen.
    Der Gedanke, mit einer Frau zu schlafen, erregt mich. Verdammt noch mal, ich geh jetzt in den Puff!
    Eine halbe Stunde später stehe ich vor dem »Imexhaus«.Während der Fahrt mit der Trambahn jagte mein Puls immer rascher. Noch kannst du umkehren, Rubinstein. Schon wieder die Hosen voll? Man kann doch nicht ewig davonlaufen.
    Ich stoße die Glastür auf. Tatsächlich! Sogar am Montagvormittag ist hier was los.
    Die Schwarzhaarige in der Strumpfhose kann sich sehen lassen. Sie schaut mich an, lächelt. »Schatzi, kummst mit?«
    »Wie viel?«
    »Dreißig mit Gummi.«
    Gar nicht so teuer. Da würden mir siebzig Mark übrigbleiben. Ich gehe weiter, die abgetretene Holztreppe hoch.
    Im ersten Stock stehen zwei Frauen. Die Blonde ist ziemlich fett, außerdem hat sie die vierzig schon lange hinter sich. Die Perückentante daneben ist vielleicht zehn Jahre jünger. Weiter! In der nächsten Etage stehen drei Frauen. Zwei in schwarzen Strumpfhosen, eine im Minirock. Die sieht ganz nett aus. Ein bisschen rundlich, graublaue, ruhige Augen, kaum geschminkt. Sie dürfte so alt sein wie ich.
    »Wie viel kostet’s?«
    »Dreißig Mark, weil du es bist.«
    »Gut.«
    Jetzt kann ich nicht mehr zurück. Ich muss mit.
    »Komm da eini«, sagt sie lächelnd. Sie geht mir voraus, zum Gang. Ich schaue auf ihre nackten Beine. Einige Schritte, dann öffnet sie die Zimmertür. Der Raum ist eng, düster. Ich sehe eine grau bezogene Couch, einen kleinen Tisch mit leuchtender Nachttischlampe, einen roten, alten Polstersessel, in der Ecke ein winziges Waschbecken.
    »Schatzi, magst es zu dritt?«
    »Was kostet das?«
    »Sechzig.«
    »Nein.«
    »Oder was zum Trinken?«
    »Nein.«
    »Guat. Dann gib mir bittschön gleich das Geld.«
    Ich reiche ihr den Hundertmarkschein.
    »Magst du’s vielleicht französisch?«
    »Nein.«
    »Großzügig bist du fei net.«
    »Wissen Sie, das Geld gehört mir nicht ganz.«
    »Geh, kumm, das kannst einer anderen erzählen.« Sie steckt die Banknote in eine kleine schwarze Lacktasche, holt zwei Scheine hervor. »Hier, hast deine siebzig Markl.« Danach kramt sie aus derselben Tasche ein Kondom hervor, setzt sich auf die Couch und schlägt den Rock hoch. Darunter ist sie nackt!

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