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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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breiter. »Das glaube ich dir gern, Jonny. Aber du weißt ja, Vorstandssitzungen sind nicht öffentlich – leider.«
    »Weshalb?«
    »Weil wir Entscheidungen treffen müssen, und das schafft man mit zwanzig Leuten nie.«
    Wenn du nicht aufhörst zu grinsen, hau ich dir eine in die Fresse. »So ist das also! Ihr trefft die Entscheidungen, und das gemeine Volk darf Ja und Amen sagen.«
    »Nicht ganz. Sagen wir lieber, wir bereiten die Entscheidungen vor.«
    »Sagen wir lieber, du kannst mich am Arsch lecken«, brülle ich.
    »Jetzt wirst du aber ordinär, Rubinstein.«
    »Ordinär seid ihr! Ihr bildet euch wohl ein, dass es ewig so weitergeht. Ihr entscheidet, und wir machen. Ihr gebt unser Geld aus, und wir blechen. Was macht ihr beispielsweise mit unserem Geld? Wir zahlen es, und ihr reißt es euch unter den Nagel.«
    Sein Lächeln ist verschwunden. »Jetzt ist es aber genug, Jonny! Wenn du das nicht auf der Stelle zurücknimmst, klebe ich dir eine.«
    In Arales Rücken am Ende des Ganges erscheint die röhrenförmige Gestalt Itzchak Polzigs. Mit dem tänzelnden Schritt des ehemaligen Jeschiwa 1 -Studenten nähert sich unser vierzigjähriger Mentor. »Was ist denn los hier? Weshalb brüllt ihr so herum?«
    »Nichts weiter, Herr Polzig.« Arales Miene schwankt zwischen Beflissenheit und gerechtem Zorn. »Jonny wollte mit Gewalt an der Vorstandssitzung teilnehmen. Und als ich ihm sagte, dass er das nicht darf, weil er nicht im Vorstand ist, ist er ausfallend und beleidigend geworden.«
    Polzig hält einen Moment inne. Seine introvertierten Augen hinter den dicken Brillengläsern fixieren einen imaginären Punkt hinter mir. Dann spricht er mit wohlklingender Baritonstimme: »Streitet euch nicht. Vertragt euch wieder, schließlich seid ihr Freunde. Jonathan, du weißt genau, dass du nicht an den Vorstandssitzungen teilnehmen kannst, weil du nicht in den Vorstand gewählt wurdest. Also musst du draußen bleiben. Und du, Aaron, wirst im Vorstand gebraucht. Komm mit, wir wollen unsere Sitzung beenden.« Er macht kehrt und tänzelt wieder in die Wohnung, gefolgt von seinem Adlatus.
    Das werdet ihr mir büßen, ihr zionistischen Trockenschwimmer! Besonders du, Itzig Polzig. Lässt mich vor der Tür stehen wie einen jüdischen Kurzwarenhausierer. Deiner Sinai werde ich den Garaus machen.
    Aber wie, verdammt noch mal? Wenn ich einfach rumtobe, lassen mich die Kerle ins Leere laufen, wie soeben. Was kann ich sonst tun?
    Als Erstes geh mal rein, sonst stehst du tatsächlich draußen, wie Polzig und Konsorten es gern hätten. Ich stoße die Tür auf. Rechts liegt der Betsaal, den die Schwabinger Juden an Feiertagen benutzen. Ihm gegenüber der kleine Büroraum, in dem gegenwärtig die Elite der religiösen jüdischenJugend Münchens berät. Daneben unser »Tagungszimmer«. Hier halten sich an Feiertagen die jüdischen Frauen zum Quatschen auf, während die Männer beten oder zumindest so tun als ob.
    Arale Blau hat sofort angefangen zu toben, als ich ihm vorgeworfen habe, dass sie unser Geld verprassen. Also muss was an der Sache sein. Wir zahlen zwei Mark Mitgliedsbeitrag im Monat. Macht pro Mann etwa 25 Mark im Jahr, mal 20, gibt rund 500 Eier. Von diesem Geld hört und sieht man nicht das Geringste. Eli Zeitvogel hat mir erzählt, dass die Kerle sich öfters zum Fressen treffen – jetzt weiß ich endlich auch, auf wessen Kosten! Na wartet, diese Suppe werde ich euch gründlich versalzen.
     
    Mittlerweile tröpfelt die Bande ins Zimmer. Auch Peter und Carlo sind schon da. Ich steuere auf sie los. »Ich habe endgültig die Schnauze voll von Polzig, Arale und den übrigen Wichsern.«
    »Was ist denn passiert?« Carlos dunkle Bärenaugen weiten sich.
    »Heute wollten mich Polzig und Arale aussperren, nur weil ich es gewagt habe, nach dem Verbleib unserer Mitgliedsbeiträge zu fragen.«
    »Und?« Peter lächelt.
    »Und! Und! Und!« Ich muss mich beherrschen, um nicht erneut zu brüllen. »Ich habe diese Methoden endgültig satt.«
    »Ich auch. Aber was willst du tun?«
    »Neuwahlen! Sofort!«
    »Und was soll das bringen, wenn ich fragen darf? Duweißt genauso gut wie ich, dass jeder im Vorstand mindestens einen Freund hat, der ihn wählt, plus er selber, plus einige Idioten. Das heißt, die Kerle haben auf ewige Zeiten eine Mehrheit, selbst wenn jede Woche gewählt würde.«
    »Hatten, mein Lieber, hatten«, rufe ich erregt. »Glaubst du im Ernst, dass noch ein Mensch diese Bande wählt, wenn bekannt wird, dass sie jahrelang

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