Rubinsteins Versteigerung
auch nicht so wichtig.«
»Er ist
doch
wichtig, Esel, und jetzt benimm dich endlich wie ein Mensch, sonst kannst du allein weiter räsonieren.«
»Sehen Sie, wie er mit seiner Mutter umspringt?«
»Sie sind ja auch nicht gerade freundlich zu Ihrem Sohn.« Suses Gesicht hat sich gerötet.
»Das müssen Sie schon mir überlassen, wie ich mit meinem Sohn umgehe«, schreit Esel. Der alte Berthold bleibt ungerührt. Seine Frau reckt dagegen neugierig ihren Kopf vor, um kein Wort zu versäumen. Von ihrem nach vorne gereckten Altweiberhals hängen tiefe Hautfalten herab. Auch an den Nebentischen verstummen die Gespräche. Sicher kriegen auch die Frankfurters unseren Zank mit. Alles muss diese verdammte Esel zerstören! Hoffentlich begreift Suse jetzt endlich, wohin schiere Pflichterfüllung führen kann. Eben! Was geht dich der ganze Mist an?
Sie
wollte ja herkommen, nicht ich.
»Fangt endlich an zu essen.« Esel hat sich wieder gefasst.
»Danke, Frau Rubinstein, ich habe keinen Appetit.«
»Wozu sind Sie dann hergekommen?«
Logisch!
»Um Jonathan zu begleiten, und weil ich geglaubt habe, dass Sie auch mich zum Abendessen eingeladen haben.« Ihr Gesicht glüht.
»Wenn Sie keinen Hunger haben, müssen Sie doch nicht herkommen.«
»Ich geh ja schon.«
»Ich auch.«
»Du bleibst hier!«
»Tut mir leid, auch mir ist der Appetit vergangen.«
»Da sehen Sie, was Sie machen. Sie wissen, dass der Junge wegen seines empfindlichen Magens regelmäßig essen muss. Aber Sie zwingen ihn wegzugehen. Und Sie wollen seine Freundin sein?«
»Ich will gar nichts sein.« Suses Stimme ist am Brechen.
Sie springt auf. Auch ich erhebe mich. Nehme sie bei der Hand.
»Tschüss, Esel.«
»Du bleibst hier!« Sie schreit wieder ungehemmt.
»Nein, meine Liebe.«
»Dann warte wenigstens einen Moment, dass ich dir etwas einpacken lassen kann.«
»Nein!«
»Das werden Sie noch bereuen, Fräulein, herzukommen, ohne eingeladen zu sein, und mir dann einfach meinen Sohn wegzunehmen.«
»Sie können Ihren Sohn gern behalten.«
»Da siehst du, was sie von dir hält. Und du läufst ihr nach wie ein Hund.«
Ich ziehe Suse hinter mir her, will nur noch die Tür erreichen, weg von Esel und den Leuten, die uns alle anstarren.
Kaum haben wir das Haus verlassen, reißt Suse sich los, läuft davon. Ich renne hinterher. Hole sie ein, lege den Arm um sie. Sie schiebt ihn weg. »Lass mich zufrieden.« Tränen schwimmen in ihren Augen.
»Darf ich wissen, was ich falsch gemacht habe?«
»Nichts«, heult sie. »Lass mich nur in Frieden, Jonathan, das ist alles.« Sie läuft wieder los. Ich folge ihr. »Lass mich in Ruhe! Kannst du nicht verstehen, dass ich allein sein will?«
»Doch.«
»Dann verschwinde!«
»Ich wollte dir doch nur helfen.«
»Danke, das hat deine Mutter schon besorgt.«
»Darf ich erfahren, was das mit mir zu tun hat?«
»Nichts!«, schreit sie. Die Tränen rollen über ihre geröteten Wangen. »Nichts. Aber ich habe das alles satt. Ich will alleine sein. Bitte.«
»Gut. Ich warte im Hotel auf dich.«
Sie läuft weiter. Vielleicht ist es wirklich besser, ich lasse sie erst mal allein. Mir bleibt auch nichts anderes übrig.
Seit zwei Stunden liege ich nun im dunklen Hotelzimmer und warte auf diese unmögliche Frau. Ob sie einfach den nächstbesten Zug nach München genommen hat? Kaum. Sie wird doch ihr Zeug nicht einfach dalassen. Vor allem wird der Stolz ihr verbieten, mich die Hotelrechnung allein bezahlen zu lassen – besonders nachdem sie gegenüber Esel den Mund so voll genommen hat. Sie wird also früheroder später hier auftauchen. Und falls nicht, kann ich auch nichts tun – jedenfalls heute nicht mehr.
Verdammt, jetzt ist es schon nach elf. Ob ich einfach pennen soll? Ich bin viel zu aufgeregt. Aber was soll ich denn tun? Zum Lesen habe ich auch nichts dabei. Vielleicht doch versuchen zu pennen?
Es klopft. Ohne zu warten, öffnet sie die Tür, geht zum Bett.
»Hallo, da bin ich wieder.« Ihre Augen sind immer noch gerötet.
»Klasse.«
»Was hast du inzwischen getrieben?«
»Gewartet.«
»Schön doof. Ich habe mir inzwischen zwei Schoppen Frankenwein genehmigt.«
»Und mich lässt du inzwischen hier verdursten.«
»Stimmt! Ich habe dich heute verhungern und verdursten lassen.«
»Genau. Und dafür folgt die Strafe auf dem Fuß.« Ich packe sie am Handgelenk, ziehe sie zu mir hinunter und küsse sie auf den Mund. Ich spüre den säuerlichen Geschmack ihrer Weinfahne. Sie macht sich los.
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