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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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Zeitgeschichte und Politik zu beschäftigen, Herr Rubinstein?«
    »Sie meinen als Beruf?«
    »Ja.«
    »Aber was kann man nach einem Geschichts- oder Politikstudium tun?«
    »Wenn man gut ist, findet sich immer etwas Interessantes, und Sie sind gut, das merkt man rasch, wenn man mit Ihnen spricht.«
    »Herr Frankfurter, setzen Sie bitte meinem Sohn keineFlausen in den Kopf. Er lässt sich leicht beeinflussen. Wir sind nicht vermögend, deshalb soll er einen Beruf lernen, bei dem er eines Tages auf eigenen Beinen stehen kann.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen um Ihren Sohn, Frau Rubinstein. Ich bin sicher, er wird seinen Weg finden und gehen. Da bin ich sogar ganz sicher.«
    »Ich auch.« Suse ist sichtlich verlegen wegen ihrer spontanen Bemerkung.
    »Sehen Sie, da sind wir schon zu zweit, Fräulein Andreesen.« Er blinzelt mir zu. »Wir Männer sind heute egoistisch gewesen und haben euch Frauen gar nicht zu Wort kommen lassen. Mich würde sehr interessieren, wie Sie über alles denken, Fräulein Andreesen. Vielleicht finden Sie morgen Zeit, wieder mit uns zusammenzusitzen? Meine Frau und ich würden uns jedenfalls sehr darüber freuen. So, ich will Sie nicht länger aufhalten. Sie wollen sicher raus an die frische Luft.«
    »Auf Wiedersehen.«
    »Schalom.«
    »Jonathan, wann kommst du wieder her?«
    »Gegen Abend, Esel.«
    »Ich sage Bescheid, dass sie für euch was zum Essen herrichten sollen.«
    »Nicht nötig, wir tauchen später auf.«
    »Nein! Kommt rechtzeitig zum Essen. Du weißt doch, dass du einen empfindlichen Magen hast und regelmäßig essen musst.«
    »Schon recht, Esel, Schalom.«
    »Kommt rechtzeitig!«
    »Ja.«
    »Auf Wiedersehen, Frau Rubinstein.«
    Sobald wir aus dem Haus sind, küsst mich Susanne schmatzend auf die Wange. »Mann, du warst klasse. Ich bin richtig verliebt in dich.« Sie hakt sich bei mir unter.
    »Ich in dich auch.« Ich fühle mich frei und stark. »Komm, Suse, jetzt suchen wir uns erst mal eine Bleibe.«
    »Ja.«

WAHNSINN
    »Dieses Hotel sieht nicht schlecht aus. ›Königshof‹ klingt auch gediegen.«
    »Gut, fragen wir hier nach einem Zimmer.«
    »Nein, warte einen Moment.«
    »Wieso?«
    Wieso, wieso? Weil ich Angst habe, weil ich schüchtern bin. Wenn du jetzt schon zu schüchtern bist, ein Hotelzimmer zu reservieren, wie willst du dann den Mut aufbringen, mit der Frau zu schlafen? »Komm, Suse!«
    Wir betreten die Empfangshalle. Tiefe Teppiche, dunkle holzgetäfelte Wände. Kein Hotelgast. Hinter dem Empfangsschalter steht ein blonder untersetzter Bursche in blauer Uniformjacke, vertieft in Rechnungen oder sonstigen Bürokram. Wir treten ans Pult. Er blickt auf, seine blassen Lippen verziehen sich zu einem schiefen Lächeln. »Womit kann ich den Herrschaften dienen?« An seinen Augen werden Lachfältchen sichtbar. Typische Vertreter des honorig-verkalkten Kurpublikums, von denen er und sein Brotherr leben, sind wir gewiss nicht.
    »Wir möchten ein Zimmer.« Wieder diese hohe Bubenstimme, gleich wirst du piepsen, Rubinstein.
    »Ein Doppelzimmer?«
    »Sicher. Sonst hätte ich gesagt, wir wollen zwei Zimmer.«
    »Gewiss. Sind Sie verheiratet?«
    »Nein!«
    »Dann kann ich Ihnen leider kein Doppelzimmer geben.«
    »Weshalb denn nicht?«
    »Das ist laut Gesetz verboten.«
    Laut Gesetz verboten. Und weil du eine Uniform trägst, fühlst du dich als Arm des Gesetzes. »Dann sind wir eben verheiratet – für das Gesetz.« Jetzt müsste mich Franz Kafka sehen.
    »Bitte missverstehen Sie mich nicht«, sein überlegenes Grinsen ist einem ratlosen Ausdruck gewichen. »Ich habe diese Vorschrift nicht gemacht. Aber ich muss mich daran halten.« Verstehe – und wenn die Vorschrift es von dir verlangen würde, täglich 5000 Juden nach Auschwitz zu schicken, würdest du es heute genauso tun wie dein Vater und dein Onkel und dein ganzes mieses Volk dreißig Jahre zuvor.
    »Was Sie in das Anmeldeformular schreiben, ist Ihre Sache. Aber wenn Sie sich nicht als Ehepaar eintragen, mache ich mich strafbar, wenn ich Ihnen ein gemeinsames Zimmer gebe.«
    »Schon gut. Sie sind soeben Zeuge einer Blitztrauung geworden. Na, wie fühlt man sich als Frau Rubinstein, Suse?«
    »Auch nicht anders als zuvor.« Sie lächelt säuerlich.
    »Möchten Sie ein Zimmer mit oder ohne Bad?« Der Kerl hat sich wieder gefangen.
    »Mit Bad natürlich. Wir sind saubere Deutsche, verstanden?«
    »Jonathan!«
    »Schon gut.«
    Unten konnte ich groß rummotzen, aber bald bin ich mit ihr allein im Zimmer, und dann schlägt

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