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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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dann noch ordentlich missbraucht. Das ist schlimm, nicht?«
    »Sehr schlimm.«
    »Eben. Ich hoffe, es bleibt dabei.«
    »Ja, das will ich auch. Ich will einfach die Zeit anhalten, dass es immer so bleibt wie jetzt.«
    »Apropos Zeit. Es ist höchste Eisenbahn, dass wir bei deiner Mutter zum Abendessen antanzen.«
    »Abgelehnt!«
    »Du hast doch deiner Mutter versprochen, dass wir zum Abendbrot vorbeikommen. Sie hat extra für uns zusätzliche Mahlzeiten bestellt, und da willst du so ohne Weiteres wegbleiben? Das kannst du nicht tun. Da mache ich nicht mit.«
    »Nur keine Aufregung. Ich sage ihr ja telefonisch ab, dann muss sie sich keine Sorgen machen.«
    »Es geht nicht ums Sorgenmachen.«
    Hast du eine Ahnung. Vor allem damit hält mich Esel stets bei schlechtem Gewissen.
    »Es geht darum, dass du deiner Mutter etwas versprochen hast und es jetzt einhalten musst.«
    O du heilige deutsche Einfalt. »Aber Suse, es ist jetzt so schön. So eine einmalige Stimmung. Wir sind zum ersten Mal zusammen. Sobald wir dieses Zimmer verlassen werden, ist diese Stimmung dahin. Was schadet es denn, wennich der Esel jetzt absage, wir die ganze Nacht zusammenbleiben und erst morgen zum Frühstück bei ihr auftauchen?«
    »Du bist vielleicht ein sentimentaler Tropf mit deiner ›einmaligen Stimmung‹. Sicher ist es jetzt sehr schön. Aber nach dem Abendessen kommen wir ja wieder her, und dann ist es wieder genauso schön. Es ist jedes Mal schön. Mit dir ganz besonders.«
    Dumme Nuss! Muss sie mir gerade jetzt erzählen, dass es »jedes Mal« schön ist, und mich obendrein zwingen, meine furchtbare Esel zu besuchen. »Scheiße.«
    »Was sagst du da, Jonathan?«
    »Scheiße! Aber was soll’s? Du willst zu Esel, bitte. Dein Wunsch ist mir Befehl.«
    »Jetzt sei nicht gleich beleidigt. Ich würde auch ganz gern hierbleiben. Aber du hast es deiner Mutter versprochen, und deshalb musst du es auch halten.«
    »Jawoll!«
    »Jawohl, Jonathan Rubinstein, da musst du gar nicht sauer sein.«
    Ich springe aus dem Bett, gehe ins Bad. Verdammte Scheiße! Noch vor einer halben Stunde habe ich geglaubt, fortan glücklich bleiben zu können. Prompt kommen mir Esel mit ihrem jiddischen Mamme-Besitzanspruch und Suse mit ihrem deutschen Pflichtgefühl dazwischen.
    Gemach, Reb Jid! Was regst du dich so auf? Bis vor wenigen Stunden hast du geglaubt, impotent zu sein, nie, nie in deinem Leben vögeln zu können. Jetzt warst du mit einer lieben Frau zusammen, die dich mag, und schon passt dir wieder nichts. Was ist denn dabei, kurz Esel zu besuchen?Du wirst dir eine halbe Stunde lang ihr Gequassel anhören, dir dabei ordentlich den Bauch vollschlagen und dich dann mit deiner Donna wieder ins Bett begeben. Außerdem hast du wirklich keine Alternative. Wenn du weiter den Beleidigten spielst und dich mit ihr rumstreitest, machst du nur alles kaputt und gewinnst nichts. Sie hat nun mal ihr deutsches Pflichtgefühl. Unsere Mädchen haben den jiddischen Heiratstrieb, das ist viel unangenehmer. Also nimm dich zusammen. Jawoll!
    Ich trete wieder ins Zimmer. »Fräulein Andreesen, sind Sie immer noch nicht fertig?«
    »Wenn Sie mich eher ins Bad gelassen hätten, Herr Rubinstein, wäre ich schon bereit. Komm, mach zu, ich bin wirklich gleich fertig.«
     
    »Wieso kommt ihr erst jetzt?«
    »Es hat eben länger gedauert.«
    »Was hat länger gedauert?«
    »Beispielsweise ein Zimmer zu finden, auszupacken, sich umzuziehen, wieder frischzumachen …«
    »Sag mal, für wie blöd haltet ihr mich eigentlich? Meint ihr, ich weiß nicht, wozu ihr hierher gekommen seid? Meint ihr, ich habe nicht gemerkt, was ihr in meinem Zimmer angestellt habt – in meiner Gegenwart! Euch ist wirklich nichts heilig. Sogar im Zimmer der Mutter müssen sie sich vergnügen. Dann geht man fort, mietet sich ein Hotelzimmer und amüsiert sich weiter – und die arme Mutter lässt man stundenlang warten. Und das alles nennt man dann einen Besuch bei der Mutter. Nur damit Vater dir den Wagen gibt! Wahrscheinlich hast du ihm auch das Geld füreuer Hotelzimmer abgepresst. Feine Gesellschaft seid ihr zwei. Bravo!«
    »Frau Rubinstein, mein Zimmer zahle ich selbst. Dafür brauche ich niemandem Geld abzupressen.«
    »Sie vielleicht nicht. Aber mein Sohn! Statt zu arbeiten und Geld zu verdienen, liegt er seinen Eltern auf der Tasche.«
    »Aber er ist doch bis jetzt zur Schule gegangen.«
    »Was wissen Sie schon, Fräulein … Fräulein …«
    »Andreesen.«
    »Ja, ich habe Ihren Namen vergessen. Ist

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