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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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dich zugrunde richten – so wahr mir Gott helfe. Sie wird dich vom Judentum entfernen, sie wird dich in die Gosse ziehen und dich dann stehen lassen. Du bist ihr ja schon jetzt hörig.Für ein Wort von ihr würdest du deine Eltern mit Haut und Haaren verkaufen. Und warum das alles? Nur weil sie mit dir schläft. Das können auch andere Frauen. Aber eine anständige Frau wartet damit, bis sie verheiratet ist, und bleibt ihrem Mann treu. Rachel Blum ist so ein Mädchen. Aber das da, das treibt sich mit jedem Mann rum wie eine Hure. Wer ihr am meisten bietet, mit dem steigt sie ins Bett. Heute bist du es, morgen …«
    »Leck mich am Arsch, du Sau.« Ich brülle aus Leibeskräften. Packe die Vase auf dem Tisch, in der noch Suses Blumenstrauß steckt, und werfe sie an die Wand, dann stürze ich aus dem Zimmer, schleudere die Tür mit aller Gewalt zu. Ich laufe die Treppe hinunter. Unten zwinge ich mich, ruhig zu gehen – wie ein Verbrecher nach der Tat –, und verlasse das Haus.

ABSCHIED
    Sonntagnachmittag. Wir sind vor Suses Haus angelangt.
    »Schade, dass du heim musst. Ich wäre so gern auch diese Nacht mit dir zusammengeblieben.«
    »Es ist besser so, Jonathan. Ich muss morgen schon um Viertel vor acht in der Bank sein. Du dagegen hast Ferien und kannst ausschlafen. Ich beneide dich.«
    »Ja, sicher. Aber wer wird mich aufwecken, wenn ich schlecht träumen sollte?«
    »Und wen wirst du so nett dafür belohnen?« Sie lächelt. Plötzlich wird ihre Miene ernst. Sie gibt mir einen trockenen Kuss auf den Mund. »Jonathan, es war sehr schön mitdir, sehr, sehr schön. Und ich habe dich lieb – sehr sogar. Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir uns erst mal eine Weile nicht sehen, vielleicht niemals mehr. Bitte, sei mir nicht böse, das hat überhaupt nichts mit dir zu tun.«
    »Womit sonst?« Meine Glieder verkrampfen sich.
    »Mit mir. Bitte frag nicht weiter.« Ihre Stimme ist gepresst.
    »Hast du einen Freund?«
    »Unsinn!«
    »Was ist es dann?«
    »Bitte, frag mich nicht.«
    »Doch!«
    »Nein.«
    »Das ist ja wie im Kindergarten, doch, ja, nein. Ich glaube, ich habe ein Recht zu erfahren, weshalb du dich von mir trennen willst, obwohl wir uns so lieb hatten und noch haben.«
    »Jonathan, ich kann es dir nicht sagen. Bitte verstehe mich. Es ist nicht, weil ich dich nicht lieb genug habe. Ich will dich ja wiedersehen, aber es geht nicht.« Sie umarmt mich.
    Ich streichle ihre Haare. Langsam spüre ich meine Kraft zurückkehren.
    »So, jetzt möchte ich endlich wissen, was wirklich los ist. Du kannst doch nicht einfach abhauen, ohne mir den Grund zu sagen. So schlimm kann das Problem doch nicht sein, dass wir es nicht zusammen lösen könnten.«
    »Doch!« Sie hält den Kopf immer noch abgewandt.
    »Stell dir vor, ich würde dich ohne Erklärung einfach sitzen lassen.«
    »Du hast recht.« Mit einem Ruck dreht sie ihren Kopf herum, sieht mir gerade in die Augen. »Bitte! Mein Vater war bei der SS.«
    Wie nach einem Boxhieb gegen den Magen bleibt mir augenblicklich die Luft weg. Nach einigen Sekunden komme ich wieder zu Atem. Sag was, sofort! »Aber das hat doch nichts mit dir zu tun.« Wieder diese helle Kinderstimme.
    »Und ob es etwas mit mir zu tun hat. Ich bin seine Tochter. Das wird dich mit der Zeit verrückt machen. Sieh dich an, wie blass du geworden bist. So muss es jedem von euch ergehen, wenn er es erfährt. Auch Herrn Frankfurter, der dir so imponiert. Der kann große Sprüche von Vergebung und Versöhnung von sich geben. Aber wenn sein Sohn mit der Tochter eines SS-Mannes befreundet wäre, würde er wahrscheinlich nicht anders reagieren als deine Mutter gestern.«
    »Aber Esel hat doch gar nichts gewusst.«
    »Sicher hat sie was gewusst. Warum hasst sie die Deutschen? Wegen der SS, die ihre Familie umgebracht hat. Sie sieht in jedem Deutschen einen Mörder oder dessen Kind. Vielleicht hat sie bei meinem Vater zufällig recht gehabt. Er war zwar ›nur‹ bei der Waffen-SS. Ob er an Judenmorden beteiligt war, weiß ich nicht. Er hat nie darüber gesprochen. Auch als wir das Dritte Reich im Geschichtsunterricht behandelten und ich ihm zugesetzt habe.
    Als wir uns kennenlernten, habe ich geahnt, dass es Schwierigkeiten geben könnte, aber du warst mir gleich sympathisch. Außerdem war ich neugierig, ich kannte keinen Juden. Ich habe nicht gewusst, dass es so hart werden würde.«
    »Aber
du
warst doch nicht in der SS!«
    »Sicher. Aber das spielt beispielsweise für deine Mutter keine große Rolle. Und

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