Rückgrad
darüber zu sprechen, aber sie müsse zugeben, auf den ersten Blick wirke der Typ recht unangenehm.
- Nein, nicht nur auf den ersten Blick …! betonte ich.
Ihrer Ansicht nach mußte man sich hüten, vorschnell über andere Leute zu urteilen, doch ich faßte sie an der Hand und sagte, das könne sie jemand anders erzählen, sie werde sich doch noch an unser Gespräch erinnern.
- Merk dir, was ich dir jetzt sage: Sarah hat sich mit einem echten Drecksack eingelassen …!
Nach einer Weile meinte sie, ich kümmerte mich ein wenig zu sehr um Sarah, und da konnte ich ihr nur zustimmen.
- Was soll ich machen? Sie ist wie eine Schwester für mich, antwortete ich ausweichend. Ich mach mir Sorgen …!
Ich rief Enrique, um mich nicht noch weiter über dieses Thema auszulassen. Während ich meine Bestellung aufgab, spürte ich, daß sie mich scharf ansah.
- Weißt du, sagte sie mit einer seltsamen Miene, immerhin kannst du von Glück reden, daß ich nicht eifersüchtig bin …!
Ich zauberte ein argloses Lächeln auf mein Gesicht:
- Elsie … Das ist doch nicht dein Ernst …!
Ich hatte nichts zu verbergen, trotzdem kam ich mir irgendwie ertappt vor, und ich hatte alle Mühe der Welt, ein offenes, harmloses Gesicht aufzusetzen, es war schrecklich. Lief es denn auf dasselbe hinaus, ob man schuldig war oder nicht?
- Eigentlich weiß ich überhaupt nichts …. stieß sie hervor. Ich begreife nicht so recht, was sich zwischen euch abspielt. Ich frag mich das schon seit einiger Zeit …
Ich schenkte ihr einen wohlwollenden Blick.
- Du solltest wissen, daß man sich jede intime Beziehung mit seiner besten Freundin versagen muß, sagte ich. Das ist zwingend geboten. Und dieser Punkt ist zwischen uns immer klar gewesen, das versichere ich dir. Ich habe niemals mit Sarah geschlafen, wenn du das wissen willst. Und wie du siehst, wartet sie nicht auf mich und schert sich einen Dreck darum, ob sie meinen Segen hat.
- Naja, das heißt nicht, daß du nicht einiges für sie empfindest .
- Einiges empfinden, wie du es nennst, tue ich für eine Reihe von Leuten in meiner Umgebung. Da weißt du bald nicht mehr, wo dir der Kopf steht …
- Na schön, reden wir nicht mehr davon. Ich vertraue dir … Ich lächelte, aber dieses Wort klang fatal in mir nach. Ich gab gern zu, daß sie sich geändert hatte und daß die letzten Monate sehr angenehm gewesen waren, aber ich konnte nicht vergessen, wie sie mich abgefertigt hatte, und ich fand es noch zu früh, das Kapitel Vertrauen unter uns aufzuschlagen, ich fand, sie überstürzte die Dinge ein wenig.
Wir hatten freie Hand an diesem Abend, denn Hermann war auf der Probe, und ich hatte nicht so ganz verstanden, was er mir erzählt hatte, nun ja, offenbar feierte die ganze Truppe eine Art Fete, jedenfalls würde er spät nach Hause kommen. Ich hatte ihn vor den unliebsamen Folgen des Schlafmangels kurz vor den Prüfungen gewarnt, aber er hatte mich angeschaut, als wäre ich eine alte Frau, die einem erklärt, man müsse über den Zebrastreifen gehen. Ich hatte nicht weiter insistiert, ich schätzte, ein paar Stunden Ablenkung konnten den armen Lieblingen nicht schaden, und wenn ich sie mir so ansah – sie sahen alle drei ziemlich mitgenommen aus – , dann fragte ich mich, ob die ganze Nacht überhaupt ausreichte, um sie auf andere Gedanken zu bringen, so sicher sie sich dessen auch schienen.
Wir wußten noch nicht, wo wir essen sollten. Ich schlug ihr eines der besten Häuser der Stadt vor, aber sie tendierte zu etwas Belebterem, und ich versuchte sie zu überzeugen, daß wir wenigstens einmal vernünftig speisen könnten, daß nicht nur die Stimmung zählte und daß alles zu ihrer vollen Zufriedenheit verlaufen würde, daß das, Scherz beiseite, mal eine Abwechslung zu den ewigen Griechen, Chinesen, Italienern, Tahitianern, Mexikanern etc. war, daß ich klassisch aufgelegt sei usw. Ich wollte ihr gerade erklären, daß man in meinem Alter nicht immer Lust hat, mit dem Essen zu experimentieren, als ihr Ex das Durango betrat.
Sie schlug die Augen nieder. Er erspähte uns sogleich, und auf meinen Blick deutete er ein Lächeln an und steuerte schnurstracks auf uns zu, die Hände in den Taschen vergraben. Ich fand ihn um einiges unsympathischer, nachdem er sich Elsie gegrapscht hatte – zumal als Querschläger –, aber ich konnte nicht leugnen, daß er über einen gewissen Charme verfügte, und ich war auch nicht sonderlich sauer auf ihn. Er machte sich zum erstenmal an uns heran, seit
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