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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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irgend etwas zu verstehen. Ihre Gefühle standen im Widerstreit, und es schien alles noch schlimmer zu werden, wenn ich nur den Mund aufmachte. Sie hatte mich zwar hierher gebracht, inzwischen aber, wie ich feststellen mußte, ihre Meinung geändert.
    - Ah, misch dich nicht ein, ich flehe dich an …!! Herrgott, halt dich da raus … !! Es handele sich um ihren Sohn und um den Mann, mit dem sie zusammenlebte, nur für den Fall, daß ich nicht verstanden hätte. Und das müsse mir reichen. Man hätte meinen können, sie habe Angst vor mir und ich sei derjenige, der ihr Glück über den Haufen zu schmeißen drohe. Ihre Lippen zitterten. Ihr Blick durchbohrte mich, als sei ich nur mehr ein Tele-plasma. Ich hatte sie an den Handgelenken gepackt und sanft zurückgedrängt, und sie hatte mein Hemd losgelassen. Ich hatte es zurechtgerückt und ihr kommentarlos alles versprochen, was sie wollte. Aber diesmal nicht, um ihr einen Gefallen zu tun – kein Vergleich mit meinem Versprechen von letzter Nacht, unsere intime Reise top secret zu behandeln –, ich hatte einfach die Nase voll.
    - Immerhin … Das ist ‘ne blöde Sache mit dieser Tür …! sagte er in boshaftem Ton und ließ sich mit einem grausamen Lächeln vor mir nieder.
    Du hast es versprochen. Frag ihn nicht, ob ihm das öfters passiert, daß er Leute einsperrt. Frag ihn nicht, ob er deswegen unter ärztlicher Obhut steht oder ob er sich nur einer ganz allgemeinen Behandlung unterzieht. Du hast es versprochen.
    -Alter, es tut mir leid …! seufzte ich. Ich beugte mich vor, um ihm ein Glas zu kredenzen. Sei so nett und schick mir die Rechnung.
    - Nein … Darum geht’s nicht.
    Im gleichen Moment erblickte ich Sarah hinter dem Küchenfenster. Sie fabrizierte weiß der Kuckuck was über dem Spülbecken, doch ihr Gesicht war uns zugewandt und ihr Blick so leiderfüllt, daß ich mir fast die Lippen zerfleischte. Dolbello hatte sie nicht bemerkt. Er blinzelte mit der Miene eines lüsternen Buddha gegen die untergehende Sonne.
    - Na schön, vergessen wir die Sache …. fuhr er fort. Aber der Junge brauchte eine Lektion.
    Du hast es versprochen. Halt dich zurück, trink in Ruhe dein Glas aus. Du hast den Weg des Schlappen Schwanzes gewählt, dieser Schwachkopf trifft nur ins Leere.
    - Mmm …. meinte ich nickend. Das Leben ist eine einzige lange Lehre.
    Er fühlte sich wohl in seiner Haut, richtig selbstgefällig, man hätte ihn in gewissen Katalogen antreffen können, in der Kosmetikabteilung oder in einem RANGE - ROVER -Werbespot.
    Und er duftete, ein würziges, herbes Parfüm, das sich aufdringlich bemerkbar machte, als er sich vorbeugte.
    - Unter uns … Es gibt gewisse Dinge, die kann ich nicht akzeptieren … Du verstehst, was ich meine …?
    Er war widerlich, das heißt, ganz und gar nicht mein Stil in puncto »menschliches Wesen«.
    - Verdammt … Wir sind schließlich Männer, oder nicht …?! knurrte er.
    Ich schnappte mir einen Fächer, der auf dem Tisch herumflog, und erzeugte einen leichten Luftzug zwischen uns. Einen ordentlichen Mundschutz konnte das nicht ersetzen.
    - Also, was soll der ganze Quatsch …?! fügte er hinzu.
    Sieh sie dir an hinter ihrer Scheibe. Sieh doch, was sie für einen Schiß hat, daß unser Gespräch abgleitet, und diese Leidensmiene.
    Meinst du nicht, daß das für sie nicht noch viel härter ist? Außerdem, du hast es versprochen.
    - Ich glaub, ich träume …
    Ich sah ihm zu, wie er den Kopf schüttelte. Ich hatte größte Lust, aufzustehen und ihm eins mit dem Spaten überzuziehen, um ihn von seiner Enttäuschung zu heilen. Stattdessen schenkte ich ihm nach.
    - Hör mal, ich versteh dich nicht …! meinte ich in vertraulichem Ton. Warum regst du dich über Dinge auf, die es nicht wert sind? Ich an deiner Stelle …
    - Nicht bei sowas! Da kann ich nicht anders …! knirschte er.
    Der Horizont dehnte sich hinter seinem Hals wie eine Blutlache. Je mehr sich der Tag neigte, um so intensiver wurde der Duft der Pinien, die Luft füllte sich mit einer jodhaltigen, einem feinen Nebel ähnlichen Bläue, und die Stille wurde immer undurchdringlicher. Ich konnte mir die Atmosphäre, wenn Richard erscheinen würde, nur zu gut vorstellen. Dolbello war bestimmt ein solcher Dämlack, wie zu befürchten war. Wenn ich diesbezüglich je den geringsten Zweifel gehegt hatte, dann war das jetzt nicht mehr der Fall, allein den Blick auf ihn zu richten war eine einzige Qual.
    Sarah war eine angenehme Ablenkung, als sie sich zu uns gesellte. Sie

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