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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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trotteligste Idiot hätte das gemerkt, und wenn er noch so in den Dreck der Stadt vernarrt war. Einige Minuten lang wanderten wir schweigend durch den Blitzschlag der Göttlichen Schönheit. Natürlich konnte das nicht lang so bleiben. Als wir den ersten Anzeichen der Entartung ansichtig wurden – wir waren auf eine Gruppe von Badenden gestoßen, die ihre Brüste in die frische Luft hängten, rotverbrannte Steaks, die ein ausgehungerter Hund verschmäht hatte –, schlug ich vor umzukehren.
    Wir schlenderten den gleichen Weg zurück und nahmen den Gesprächsfaden an der Stelle wieder auf, wo wir ihn gelassen hatten: bei den Maßnahmen, die zu treffen waren. Das eine war, daß sie gleich morgen abhauen würden. Zudem kam es nicht in Frage, auch nur eine Nacht unter dem Dach des Neandertalers zu verbringen, sie würden ihr Zelt am Strand aufschlagen. Alles war bestens geregelt. Das hieß, fast alles. Richard bestand darauf, seine Sachen selbst abzuholen. Abreisen oder die Flucht ergreifen war ihm zufolge zweierlei. Ich war mir keineswegs sicher, ob das eine gute Idee war, noch einmal zurückzukehren. Aber es sind nicht immer die guten Ideen, die Klasse haben.
    Auf halbem Weg setzten wir uns ein wenig auf den Sand.
    - Und wie geht’s Elsie …?
    - Mmm, Elsie …?
    Ich verspürte eine Art Magenkrampf, als ich nur ihren Namen aussprach. Und ich mied seinen Blick, als hätte ich mir etwas vorzuwerfen, ich rieb mir den Sand von den Füßen und Waden. Ich blickte mit verzerrtem Gesicht in die Sonne.
    - Meine Güte, ich nehme an, es geht ihr gut … Sie ist auf Tournee … Wußtest du das nicht …?
    - Nein, keine Ahnung …
    - Jaja … Damit war zu rechnen … Das mußte früher oder später so kommen.
    - Na klar! Ich hab ihr gesagt, sie soll die Hoffnung nicht aufgeben …!
    Was mir zu schaffen machte, das waren diese kleinen glitzernden Partikel, die an meiner Haut klebten.
    - Nein …. korrigierte ich ihn. Das habe ich nicht gemeint … Es tat mir bereits leid, daß ich das Thema nicht vermieden hatte, da ich noch voll auf Entzug war. Aber es war zu spät. Also zog ich mechanisch die Knie an die Brust und atmete hörbar aus -ein Typ, der sich mit sowas auskennt, ein Unglücklicher, der solche Dinge gewohnt ist.
    Ich zuckte leicht mit den Schultern:
    - Was soll’s … Man muß im Leben auch verlieren können …! Ich mach ihr keinen Vorwurf, sie war ein tolles Mädchen …
    Er mochte Elsie. Im Gegensatz zu Sarah hatte ich jemand gefunden, der meinem Sohn gefiel. Das Problem lag woanders.
    - Dan, das ist doch nicht wahr …!
    Natürlich versetzte ihm das einen Schlag. Aber mir war selbst nicht nach Lachen zumute, ich hatte nicht die geringste Lust, auf dem Sand herumzutollen, und wenn er sich noch so fein und flauschig anfühlte, so warm und so weich, daß es eine Wonne gewesen wäre.
    Gelassen verfiel ich in ein schwaches Lächeln:
    - Weißt du, Hermann, ich hab’s immer gewußt … Hältst du deinen Vater für einen Trottel …? Glaubst du denn, ich hätte mir auch nur eine Sekunde etwas anderes ausgemalt …?! Paß auf … Nicht nur, daß es auf Erden nichts gibt, was man für alle Zeiten erringt, nein, ich bin obendrein in eine unmögliche Situation geraten. Ich wußte nur zu gut, was mich erwartete. Aber betrachte das nicht als Verrücktheit, ich bereue es nicht, im Gegenteil … Verflixt nochmal, Hermann, sie war wunderbar, und das sind keine leeren Worte …! Nein, weißt du, die einzig wahre Verrücktheit, der einzige unverzeihliche Fehler wäre gewesen, sich ein anderes Ende dieser Geschichte vorzustellen … Ich weiß nicht, ob du dir darüber klar bist, ich bin fünf ‘zehn Jahre älter als sie, fünfzehn scheußliche, verdammte Jahre …! Glaub mir, du kannst die Sache drehen und wenden, wie du willst … Ich weiß nicht, ob ich sagen darf, daß ich mein Leben hinter mir habe, aber ich kann dir versichern, sie hat ihres noch vor sich.
    Er hatte mit einem Holzstück gespielt, während ich auf ihn einredete, trocken und weiß wie ein Knochen, er hatte es dazu benutzt, ein kleines Stück des Strandes sorgsam zu glätten – und darin war alles, die Illusion, das natürliche Chaos ordnen zu können, das Wunder einer verlockenden, qualfreien Welt. Als er merkte, daß ich zu Ende gesprochen hatte, warf er mir einen argwöhnischen Blick zu, dann schleuderte er mit einer müden Bewegung sein Holzstück in die Ferne.
    - Herrgott … Das ist wirklich zu bescheuert …! maulte er.
    - Du meinst, ich bin bescheuert,

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