Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
Ich glaube, er ist fischen gegangen, antwortete Gladys. Er hat Richard eingeschlossen, bevor er loszog.
    Sarah stieß einen schmerzlichen Seufzer aus und ließ sich auf einen Stuhl fallen:
    - Herrgott …! Und warum … ?!
    Gladys schien ein wenig verlegen. Sie schaute mich an, bevor sie sich in Erklärungen stürzte, und allmählich dämmerte mir, woher der Wind wehte.
    - Naja … Er will ihn daran hindern, auszugehen … Was Besseres ist ihm nicht eingefallen.
    - Wie bitte, er will ihn daran hindern, auszugehen …?
    - Ja, das heißt, Leute zu treffen … Freunde … Ich hab doch gesagt, sie verstehn sich nicht, die beiden … Als Richard heute morgen zurückkam …. naja, da hat es ziemlich gekracht.
    Sarah machte den Mund auf, aber sie brachte keinen Ton zustande. Deutete eine Handbewegung an, die sogleich abbrach. Das war erst der Anfang, aber sie wirkte bereits erschöpft.
    - Hör zu, Mama, ich muß dir was sagen …
    Wieder schauten wir uns an, Gladys und ich. Das Leben steckt voller Engpässe, durch die man wohl oder übel hindurch muß, nicht anders beginnt es ja auch.
    - Richard war mit einem Jungen zusammen.
    Sarah hob langsam den Kopf. Sie hatte noch nicht begriffen, was Gladys da gesagt hatte. Das war wie ein Stockhieb an einem eiskalten Tag, man spürt ihn nicht sofort.
    - Muß ich dir das erst lang und breit erklären …? fragte ich sie. Ich war nicht dafür, groß herumzudrucksen, sondern gleich mit der Sprache herauszurücken.
    - Hör zu, Mama … So dramatisch ist das auch nicht …! Einige Sekunden lang war nur das Kreischen der Vögel und das Tosen der Wellen am Fuß der Dünen zu hören.
    - Ich gebe zu, damit habe ich nicht gerechnet …! murmelte sie mit tonloser Stimme und streichelte die Hand, die Gladys auf ihre Schulter gelegt hatte.
    In diesem Moment bin ich rausgegangen. Der Himmel war von einem überwältigenden Blau. Zum erstenmal an diesem Tag war ich mir seiner Farbe bewußt. Der Sand hatte die Absperrung am Ende des Gartens halb umgeworfen, und einige verkümmerte, salzzerfressene Grasbüschel waren alles, was von einem früheren Rasen übriggeblieben war. Hinter einer Reihe von Tamarisken blinkte der Ozean, und ein schwacher jodhaltiger Wind staubte über den Strand.
    Hermann holte mich ein, als ich am Wasser entlangtrottete, die Hose hochgekrempelt, die Schuhe in der Hand und Dolbello von ganzem Herzen verfluchend.
    - Und …? fragte ich ihn.
    - Es geht. Er ist wieder in die Stadt gefahren.
    - Was sagt man dazu … An einen solchen Idioten zu geraten …! Und sie hat auch noch ihr Gleichgewicht bei ihm gefunden … Weißt du, ich fürchte, Richard steht noch einiges bevor.
    - Ja, ich mache mir Sorgen um ihn … Er braucht jetzt vor allem Ruhe … Ich bin froh, daß du da bist, die Dinge haben sich seltsam entwickelt.
    - Mmm, ich wüßte nicht, was ich tun kann. Glaub nicht, ich brauche nur zu erscheinen und alles renkt sich ein. Das war einmal, als du noch ein kleiner Junge warst, ich will hoffen, mittlerweile weißt du, woran du bist … Ehrlich, dieser Kerl da, keine Ahnung, was ich von dem halten soll …!
    - Ach verflixt, er war wütend. Er hat Richard geschworen, daß er ihn auf den rechten Weg zurückbringt …
    - Klar doch … Von solchen Typen hab ich gehört. Du wirst bald merken, wie die Welt beschaffen ist.
    Das war nicht bloß angenehm, an seiner Seite zu schlendern, das war eine tiefe und in gewisser Hinsicht erschreckende Freude.
    Ich nahm die Gelegenheit wahr, ihm mitzuteilen, daß ich wieder in Amt und Würden eines Drehbuchautors war und, besser noch, daß es mit diesen Bürostunden ein Ende hatte. Er fand auch, ich sähe topfit aus. Ich sagte, er solle bloß nicht hinter die Fassade gucken.
    Er sah ebenfalls frisch aus. Am Vorabend ihrer Abreise hatte er sich, auch wenn er es nicht zugeben wollte, kaum noch auf den Beinen halten können. Das mit dem Theater ging regelmäßig bis zwei, drei Uhr morgens, und am Ende kippte er stocksteif auf sein Bett, und Gladys mußte ihn ausziehen und kurz darauf wieder ankleiden, damit er auf sein Fahrrad springen konnte. Ich drohte damit, das Handtuch zu werfen, aber er flehte mich an, Herrgott, nur noch ein paar Tage …!! Ich war froh, daß er sich so gut erholt hatte. Ich fand ihn auch ein wenig verändert, wie immer, wenn wir länger als vierzehn Tage getrennt waren – man könnte meinen, sie tun das, kaum daß man ihnen den Rücken kehrt.
    An diesem Teil der Küste war der Strand wild und verlassen. Selbst der dümmste und

Weitere Kostenlose Bücher