Rückgrad
dabei, naja, ich als sein Vater, ich hätte ihm ‘ne Drei bis Vier gegeben, zumal sein Spiel an Geschmeidigkeit gewann, je mehr das Stück fortschritt. Elsie reichte mir ihr Kaugummipäckchen, dabei schenkte sie mir einen liebevollen Blick, der mir kundtat, daß sich ihre Gefühle für den Moment, vielleicht sogar für den Rest des Abends, zu meinen Gunsten neigten. Na schön, bestens.
Die letzte große Feier in meinem Hause war, mehrere Monate bevor mich Franck sitzengelassen hatte, über die Bühne gegangen. Ich erinnerte mich noch vage an das Ende, an den letzten Händedruck auf dem Bürgersteig, als der Morgen bereits graute, und an Franck, die stumm hinter mir stand. Zu diesem Zeitpunkt gelang es mir schon nicht mehr, zu schreiben, nur hatte ich mich noch nicht damit abgefunden und durchlief gerade meine schmerzlichste Entzugsphase überhaupt. Ich war darüber hinweg, mich mit Krämpfen im Bauch auf dem Boden zu wälzen, doch ich war völlig niedergeschmettert, und ich trank, um nicht mehr daran zu denken. Das klappte nicht immer, aber ich hatte zumindest den Eindruck, es handele sich nur um einen Alptraum und ich könne mich, wenn ich aufwachte, wieder an meine Schreibmaschine setzen und weiterarbeiten.
Franck war wortlos nach oben gegangen, aber ich wußte sehr gut, was los war. Ich hatte mich einmal mehr vollaufen lassen, und ich war an eine Frau geraten, die das nicht ertrug. Dabei hatte ich sie niemals geschlagen oder verprügelt, nie hatte ich ihr auch nur ein Haar gekrümmt, ich liebte sie abgöttisch. Nur daß sie mir nicht mehr glaubte, sie behauptete, ich würde mich anders benehmen, wenn ich sie wirklich liebte, und es war mir nicht gelungen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Damals zerrann mir alles zwischen den Fingern.
Das war ungefähr sieben, acht Jahre her. Ich glaube, das war eine der schlimmsten Szenen, die wir je hatten. Wir schrien beide dermaßen laut, daß Hermann schließlich aufwachte. Er stand weinend vor der Tür seines Zimmers. Auch Franck weinte. Ich hab gedacht, ich werd verrückt. Wer weiß, vielleicht war ich auf dem besten Wege dazu. Im Grunde kam ich erst viele Monate später wieder zu mir, als alles vorbei war und ich mich allein um Hermann zu kümmern hatte.
Sowie das Stück zu Ende war, versammelten wir uns in der Halle. Wir hatten vereinbart, zu warten, bis sich Hermann und seine Mitspieler umgezogen hatten, und uns dann auf die Wagen zu verteilen, doch da ich mit dem Motorrad gekommen war, beschloß ich, vorauszufahren und Hausherrin zu spielen. Elsie bestand darauf, mich zu begleiten. Diesen Abend war sie in mich verliebt, daran bestand kein Zweifel mehr.
Ich hielt unterwegs an, um Zigaretten und ein paar Extraflaschen zu kaufen, für den Fall, daß ich ein wenig knapp kalkuliert hatte. Die Nacht war mild und leicht klebrig. In Anbetracht der Größe meines Gartens würden längst nicht alle etwas davon haben, und ich befürchtete ein gewisses Gedränge um meine Liegestühle.
Ich kurvte über die Umgehungsstraße, um uns ein wenig frische Luft zu gönnen. Elsie hatte eine Hand zwischen zwei meiner Hemdenknöpfe geschoben und streichelte mir über den Bauch. Ihr Kopf ruhte an meinem Rücken. Ich bedauerte es, daß Franck so etwas nie kennengelernt hatte, ich war sicher, es hätte ihr gefallen. Den meisten Mädchen gefällt es, rittlings auf einem Sattel zu sitzen, zumindest bilde ich mir das gern ein.
Für den Anfang hängte sie sich um meinen Hals, als ich versuchte, den Schlüssel ins Schloß zu stecken. Das machte mir die Sache nicht gerade leichter, sie wog gut und gern sechzig Kilo. Da sie, wie ich merkte, nicht gewillt war, ihre Füße wieder auf den Boden zu setzen, drückte ich die Tür auf und transportierte uns mit einem etwas steifen Gang ins Haus.
Ich riskierte es, sie mit einem Fußtritt wieder zuzuschlagen, so daß wir für den Zeitraum von einer Sekunde auf einer Haxe balancierten. Ich machte kein Licht. Die Straßenbeleuchtung bewahrte uns netterweise vor völliger Dunkelheit.
Obwohl sie im Begriff war, mein Gesicht mit feurigen Küssen zu bedecken, schaffte ich es, ein Lächeln aufzusetzen. Was war in sie gefahren, was für Pillen hatte sie geschluckt, um in einen solchen Zustand zu geraten? Ihre Hände flogen durch meine Haare, zerzausten mich schonungslos, ihre Lippen hielten nicht still, ihr ganzer Körper stöhnte, und das in einem Maße, daß mich, wäre ich nicht mit der Natur dieser Dinge vertraut gewesen, durchaus eine gewisse Unruhe
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