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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Schwächsten unter uns blühte, all denen, die nicht mitkamen. Darauf brauchten wir nicht näher einzugehen. Im übrigen war ich aus dem Alter heraus, mich mit Typen herumzuschlagen, die halb so alt waren wie ich und nur einen einzigen Gedanken im Kopf hatten. Nein, nicht dafür.
    Ich gab keine Antwort. Ich überlegte, warum er mich so anglotzte.
    - Weißt du, was das ist …? fragte er mich und faßte mit spitzen Fingern nach den Blättern, um sie mir wie einen Stoß Damenunterwäsche unter die Nase zu halten. Nein …? Nun denn … Das ist alles, was ich anzubieten habe, mehr gibt’s nicht, und ich hab auch seit vierzehn Tagen nichts Neues reinbekommen. Ich glaube, es geht darum, noch eine Folge an Ich folge dir bis ins Grab dranzuhängen, ich glaub, die haben keine Lust, den Kerl am Ende sterben zu lassen …
    - Das dürfte schwierig sein …. antwortete ich, nachdem ich einige Sekunden überlegt hatte.
    Paul schrumpfte auf seinem Stuhl zusammen und musterte mich durchdringend.
    - Oh …! Und ob …! zischte er. Das ist ein Problem allerersten Ranges! Wie kriegt man eine dämliche Geschichte noch dämlicher hin, ich kann mir vorstellen, das ist bestimmt nicht einfach …
    Er pfefferte die Blätter quer durch sein Büro. Ich blickte ihnen nach und dachte mir, das ist mein Job, der da davonfliegt. Er sprang auf und flitzte zum Fenster, um sich dort aufzubauen. Ich hatte bereits festgestellt, ein Typ, der in einem Büro lebt, wird magisch vom Tageslicht angezogen.
    - Tja, kurz und gut … Ich glaub nicht, daß du mir vorwerfen kannst, ich hätte dich nicht früh genug darauf hingewiesen, seufzte er. Dan, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr es mich betrübt, daß du dich auf diesem Weg derart sperrst, aber glaub mir, wenn ich könnte, ich würde dir weiterhin helfen, trotz allem, ich würde dich diese Dinger da bis ans Ende deiner Tage schreiben lassen. Jedenfalls, das Ganze ist ein heilloser Schlamassel.
    Sie waren nur mehr eine ganz kleine Handvoll, die da dachten, ich hätte noch Talent, aber wenn einer wußte, daß sie im Irrtum waren, dann ich. Leider finden sich immer Leute, die alles besser wissen als man selbst und die einem das Leben schwer machen. War das denn so schwer vorstellbar, daß ein Typ mitten in seinen besten Jahren zu schreiben aufhörte, ohne daß er einen besonderen Grund dafür hatte? Würde man mich noch lange damit anöden? Durfte ich hoffen, mich eines Tages dieser stupiden Last entledigen zu können …?
    Paul kehrte mir den Rücken zu. Da ich nichts zu sagen hatte, stand ich schließlich auf und ging zur Tür.
    - Dan … Weißt du, daß du noch fünfundzwanzig, dreißig Jahre vor dir hast?
    - Verdammt, das will ich hoffen.
    - Nun denn, merk dir eins …
    - Schieß los, hier zieht’s.
    - Wenn du soweit bist, dich arbeitslos zu melden, dann bin ich da und warte auf dich.
     
    Es war lange her, daß eine so dunkle Wolke über meinem Haupt geschwebt hatte. Das erinnerte mich an so manche Episode, an ganze Abschnitte meines Lebens, wo ich hatte lernen müssen, den Gürtel enger zu schnallen, aber mittlerweile blickte ich mit einer gewissen Melancholie auf das zurück, was John Fante den Wein der Jugend nennt.
    Aus einer Distanz von gut zwanzig Jahren betrachtete ich amüsiert die Vielzahl von Jobs, die ich ausgeübt hatte, ehe ich zu schreiben begann. Ich glaube felsenfest, zu dieser Zeit strich der Wind der Freiheit über mein Leben. Sobald mir ein Chef mit der Hand über den Rücken fuhr und anbot, mein Gehalt aufzubessern, rannte ich Hals über Kopf davon, manchmal sogar in eine andere Stadt. Wenn ich diese Typen sah, die von der Schulbank hüpften, um sich im nächsten Augenblick mit einem Seufzer der Erleichterung in irgendeinem Laden einsperren zu lassen, brach mir der kalte Schweiß aus, und ich betete zum Himmel, daß mir das so spät wie möglich passieren möge.
    Einen Moment lang versuchte ich mir vorzustellen, ob ich erneut als Kellner, Nachtwächter oder Hilfsdocker arbeiten könnte, und ich kam zu dem Schluß, daß mich nicht mehr der gleiche Mut wie einst beseelte und daß mich, der ich stramm auf die Vierzig und ein paar Zerquetschte zuging, eine solche Aussicht nicht verlocken konnte.
    Auf dem Nachhauseweg machte ich eine Bestandsaufnahme dessen, was mir blieb. Ich hatte noch eine ganze Serie zu verfassen sowie einen Fernsehfilm und ein wenig Kleinkram, der meines großen Genies unwürdig war. Alles in allem, wenn in der Zwischenzeit nichts Neues dazukam, hatte ich also

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