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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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hatte ich zwanzig Jahre hindurch praktiziert, und ich wußte nicht, was es mir gebracht hatte, aber ich bereute nichts. Ich hob mein Glas über meine Nase und trank heimlich auf das Wohl meines Sohnes, ehe ich auf ihn zutrat.
    - Überlaß sie ruhig sich selbst …. raunte ich ihm ins Ohr. Sonst tust du den ganzen Abend nichts anderes.
    - Jaja, keine Bange.
    Ein Mädchen von der dreisten Sorte schlängelte sich zwischen uns und fragte ihn, wo in dieser verflixten Bude das stille Örtchen sei, sie müsse nämlich ihren Tampon wechseln, und zwar auf der Stelle. Hermann wies ihr freundlich den Weg.
    - Sag mal, kennst du die …? erkundigte ich mich.
    - Hmm …. die macht auch Theater.
    - Die hält sich aber mächtig ran, finde ich … Ich bereitete mich vor, ihn daran zu erinnern, daß dieses Fest ein wenig ihm zu Ehren stattfand und daß er und seine Freunde dies, ehrlich gesagt, nur verdient hatten, aber leider wurden wir getrennt, und so sparte ich mir meinen süßen Senf und schnalzte nur mit der Zunge. Aus dem Augenwinkel machte ich Marc und Elsie ausfindig, sie unterhielten sich, und wenn man mich fragte, redeten sie nicht über die Musik, sie standen in einer Ecke und schauten sich in die Augen. Im allgemeinen interessiere ich mich für die Veränderungen, die in meinem Verhalten vorgehen, und ich stellte fest, daß die Irrwege meiner Freundin, die mir zu anderen Zeiten überaus mißfallen hätten, nicht mehr viel in mir auslösten. Es war mir zwar nicht egal, aber ich zeigte keinerlei Reaktion und empfand nicht die geringste Wut. Ich fragte mich gerade, ob ich meine Haltung als einen Schritt auf eine größere Einsamkeit hin ansehen sollte, als mich Sarah an der Hüfte schnappte und mir einen Typ in den Vierzigern vorstellte, der mir sehr männlich die Hand drückte und mir versicherte, er sei erfreut, mich kennenzulernen. Seine Hand war feucht, seine Zähnezu weiß, perfekt ausgerichtet. Der da, dachte ich bei mir, der macht’s nicht lang.
    Ich sah zu, daß ich wegkam. Sarah stöberte mich bei den harten Getränken wieder auf, vor denen ich auf die Knie gesunken war, und kauerte sich neben mich.
    - Und …? Was hältst du von ihm …?
    - Hör zu, Sarah … Ich möchte, daß du diese Manie ablegst. Ich brauch nicht mit denen schlafen, ich mach mir keine Gedanken über diese Knacker, das solltest du ein für allemal begreifen …
    Ich angelte mir eine Flasche aus dem Fundus und hielt sie mit beiden Händen fest. Obwohl ich es auswendig kannte, las ich mir das Etikett durch.
    - Soll ich dir mal was sagen …? Daß dich dieser Typ mit seinen Händen anfaßt, da möchte ich lieber nicht dran denken. Aber im Grunde, was macht das schon …? Ich hab das Gefühl, du bist alt genug …
    - Meine Güte, du mußt auch alles komplizieren …!
    - Mag sein. Wenn du unbedingt meine Meinung wissen willst: ich finde, seine Nase ist zu groß.
    Sie richtete sich seufzend auf. Ich goß mir vergnügt ein Glas voll, dann schlenderte ich umher, um da und dort ein wenig zu quatschen und sämtliche Frauen anzustieren, die meinen Weg kreuzten, denn das Geheimnis blieb unergründlich.
    Hermann hatte weiterhin alles im Griff. Gladys assistierte ihm tatkräftig, und von Zeit zu Zeit stakste Richard mit einem Tablett auf den Armen und Gandalf auf der Schulter aus der Küche. Irgendein Typ kümmerte sich um die Musik, ein Bärtiger, der, wenn ich mich nicht täuschte, Bücher schrieb, aber solange er die Finger von meinen Klassikplatten ließ, hatte er meinen Segen. Im Garten wurde getanzt, sie lümmelten sich zu zweit in meinen Liegestühlen, streckten sich im Gras aus und guckten zum Himmel, andere wieder grölten, palaverten, zerflossen über den Appetithäppchen. Drinnen herrschte ebenfalls eine angenehme Atmosphäre, die Gesichter wirkten erleuchtet, die Augen funkelten, die Frauen warfen ihre Köpfe zurück, und die Typen hielten sich bereit, sie im Flug zu fangen. Die Nacht nistete sich seelenruhig auf ihrem Platz ein und ließ sich sanft gehen. Es war wie eines dieser mit Wasser und künstlichem Schnee gefüllten Spielzeuge, die man schütteln kann. Man mußte noch ein wenig warten, bevor man klar sehen konnte.
    Um Punkt drei Uhr morgens dann, obwohl meine Sinne leicht benebelt waren, zuckte ich einigermaßen zusammen, als ich Kiri Te Kanawa Ruhe sanft, mein holdes Leben … anstimmen hörte, und die Härchen sträubten sich mir auf den Unterarmen. Zutiefst verärgert verfluchte ich diesen Hurensohn, ich stand auf und schritt mit

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