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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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eingeschlafen, und die drei anderen diskutierten über eine neue Methode, sich die Falten innerhalb von zwei Injektionssitzungen glätten zu lassen. Ich wollte nichts darüber wissen, zumal der Alkohol ohnehin die Tendenz hat, einem die Gesichtszüge aufzuschwemmen. Ich ließ in Ruhe meinen Blick durchs Zimmer schweifen, dann räkelte ich mich unauffällig, um mir einen neuen Standort zu überlegen. Sollte ich mich unter jene mischen, die begonnen hatten, Karten zu spielen, war mir danach zumute, im Garten frische Luft zu schnappen und gemeinsam mit Marcs Chor Return to sender anzustimmen?
    Schließlich trat ich zu der dicht gedrängten Gruppe um Hermann und seine Freunde. Ich fragte mich schon seit einiger Zeit, was sie da trieben, aber so viel Lust, mir die Sache näher anzusehen, hatte ich auch wieder nicht. Alles in allem fand ich die Gesellschaft der Jugend nicht interessanter als jede andere auch, und einem bartlosen Gesicht mißtraute ich ebenso wie dem Rest. Im Grunde zog es mich nur zu ihnen hin, weil sie zahlreich genug waren, daß man sich zwischen die Reihen schlängeln konnte, ohne allzusehr aufzufallen, und auch wieder hinaus, wenn man Lust dazu hatte, und ohne jemanden zu verletzen.
    Ich stellte mich hinter einen Typen, der Coca-Cola trank und sich an der Taille seiner Freundin festhielt, für den Fall, daß Wind aufkommen sollte. Über seine Schulter hinweg erblickte ich Hermann, er saß auf dem Boden inmitten einiger anderer, und neben ihm stapelten sich unsere sämtlichen Fotoalben, abgesehen von einem, das weit aufgeklappt zwischen seinen Beinen lag. Das war mein Lieblingsalbum, das, das ich mir am häufigsten ansah. Ein komischer Augenblick, Fotos auszupacken, dachte ich bei mir, aber die Bilder schienen sie zu amüsieren, besonders jenes, wo ich mir den Schädel rasiert hatte. Hatte er ihnen auch das eine gezeigt, auf dem mein linkes Auge infolge eines Mückenstichs auf doppelte Größe angeschwollen war, damals, als wir am Rande eines Sumpfs kampierten?
    Er blätterte die Seite um und geriet an ein Foto von Franck, das ich ganz besonders liebte. Ich hatte es ungefähr sechzehn Jahre zuvor aufgenommen, kurz vor Hermanns Geburt, und ich war verrückt nach dem Blick, den seine Mutter auf diesem Bild hatte, ich hatte ein Dutzend Abzüge davon machen lassen und aus Angst vor Einbrechern kreuz und quer im Haus verteilt.
    Das Mädchen, das neben Hermann saß, faßte ihn seufzend am Arm. Ich erkannte sie und fragte mich, ob sie womöglich wieder Unannehmlichkeiten mit ihrem Tampon hatte.
    - Meine Güte, sieht die gut aus …! erklärte sie Hermann. Schrecklich, diese Geschichte mit dem Fallschirm …
    Er begnügte sich damit, leicht zu nicken und das Foto anzulächeln.
    Ich machte mich schleunigst von dannen. Ich durchquerte den ganzen Raum und flitzte in den Garten, ohne mich aufhalten zu lassen, aber leider war es genau so, wie ich befürchtet hatte, ich erfaßte mit einem Blick, daß sämtliche Liegestühle besetzt waren. Ich tobte innerlich, mußte ich doch gar feststellen, daß einige bereits den ganzen Abend auf ihrem Arsch saßen und keine Anstalten machten, sich zu erheben. Weiter hinten, den Rücken gegen den Maschendraht gelehnt, quatschte Marc mit Elsies Musikern, Typen, die einen auf Kadaver machten, mit geschminkten Augen und Hinterbacken wie Äpfelchen. Er winkte mir zu, ich solle kommen, aber ich schaute weg und rührte mich nicht von der Stelle.
    Wie durch ein Wunder erblickte ich, halb verdeckt von einem Grasbüschel, eine Flasche. Ich hatte nicht das geringste Verlangen mehr, mit jemandem zu reden oder jemandem zuzuhören, ganz gleich, wem.
     
    Einige Tage danach zogen zwei Neuankömmlinge in dem Haus ein, das neben unserem lag und das sich kurz zuvor geleert hatte. Ich saß im Garten und las wieder einmal die letzten Seiten von Moby Dick, als ich sie kommen hörte. Sie waren zu zweit, ein blonder Athlet um die dreißig, und ein anderer mit einem Schädel, glatt wie Ebenholz, und einem kurzen, sorgfältig gestutzten Bart. Ich blickte ihnen durch die lichte Hecke nach, die unsere Grundstücke trennte, und dachte bei mir, daß ich meine Studentinnenhöhle wohl abhaken konnte. Das ist auch ein Elend dieser Erde, daß man sich seine Nachbarn nicht aussuchen kann.
    Als ich Hermann davon erzählte, zeigte er sich überaus interessiert und wollte sogleich mehr darüber wissen.
    -Ja, Herr im Himmel …. was zum Henker soll ich dir darauf antworten …?!
    - WAS …? stieß er hervor und guckte

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