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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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mir nicht das ganze Viertel auf …!
    - Meine Güte, ich hatte vielleicht ‘nen Schiß …! murmelte Hermann.
    - In der Tat, der wird nicht älter, der wird nur bescheuerter …! seufzte ich.
    Sterne funkelten am Himmel, und ein leichter Wind fegte das Laub zusammen und pfiff durch die Bäume am Straßenrand, aber kalt war es nicht. Ich sagte mir, in ein paar Minuten kannst du abhauen, vielleicht ist das Glück endlich einmal auf deiner Seite, vielleicht hat sich das Mädchen wider alles Erwarten nicht von der Stelle gerührt und wartet seelenruhig auf dich. Sind es nicht manchmal die verrücktesten Träume, die wahr werden?
    Als ich Gladys’ Bein über dem Fensterbrett auftauchen sah, war ich fröhlich wie einer, der bald in vertraute Gefilde zurückkehrt. So lang war ich eigentlich nicht weggewesen, noch bestand Hoffnung.
    Max kletterte ein paar Sprossen herab, während Gladys’ zweites Bein auf der Bildfläche erschien und auf der obersten Sprosse der Leiter Halt suchte. Für einen Moment sperrte ich Mund und Nase auf.
    - Es ist nicht alles schlecht an deinem Zeitalter …. sagte ich zu Hermann. Denk dir, ich hab die finsteren Jahre der Nylonstrümpfe miterlebt.
    Ein leiser Windhauch lüftete Gladys’ Röckchen, das sich wie ein Fallschirm aufblies, bevor es zart auf ein Wirrwarr von seiden glänzendem Flitterkram zurückfiel. Ich war angenehm überrascht, ich sah, daß sie nicht mehr das kleine Mädchen war, das ich gekannt hatte, und ich fragte mich, wie mir dieser Wandel hatte entgehen können, wie ich es hingekriegt hatte, das zu verpassen.
    - He, wir wollen hier nicht übernachten …! rief Hermann den beiden zu, obwohl mir schien, daß er vor allem Max meinte, der zur Salzsäule erstarrt war, den Blick auf Gladys’ Dessous geheftet.
    - Geh ruhig weiter, Max …. sagte sie zu ihm. Mir kann nichts passieren.
    Langsam stieg er einige Sprossen herab, doch sein Kopf kippte weiter nach hinten, und Gladys’ Schenkel baumelten sanft vor seiner Nase.
    - Also, hör mal, du hast wohl keine Hemmungen …! schnauzte ihn Hermann an, dessen Wangen leicht erröteten.
    - Würdest du vielleicht ein bißchen schneller gehn …?! ärgerte sich Gladys. Ich hätte dir fast auf die Finger getreten …!
    Auf halber Höhe blieb er glattweg stehen.
    - Scheiße. Findste das komisch … ? knurrte Hermann.
    - Also nein, was soll das …?! ächzte sie.
    Aufreizend langsam stieg er ein, zwei Sprossen tiefer, aber ich hatte Mitleid mit ihm, ich stellte mir vor, was das hieß, wenn man ein für allemal auf der anderen Seite des Gitters steht und sich mit weißen Haaren rumplagen muß.
    - Meine Zeit, in knapp ‘ner Minute ist das vorbei, sagte ich mir. Wir sollten das als den Lohn seiner Mühe ansehen.
    Hermann verpaßte dem Holm der Leiter fluchend einen ordentlichen Faustschlag. Ehrlich gesagt, wir kannten Max schon so lang – ich will des Teufels sein, wenn er sie nicht alle beide auf seinem Schoß hatte hüpfen lassen –, daß es reichlich schwer war, ihn wie einen Dahergelaufenen zu behandeln und ihn da runterzuholen, ohne Samthandschuhe anzuziehen. Trotzdem schickte ich mich an, ihn darauf hinzuweisen, daß ich nicht viel Zeit hätte und daß er mich nicht zwingen solle, bis drei zu zählen. Sicher, das war eine Sache, als Freund weiblicher Dessous quasi im Vorbeigehen einen Blick zu riskieren, auch ich hätte mir das keineswegs versagt, und lieber zweimal als einmal, aber jetzt trieb er es zu bunt, jetzt überspannte er den Bogen ein wenig.
    In dem Moment, wo ich die Klappe aufmachen wollte, blieb er erneut stehen, so nah über uns, daß ich, wäre ich gesprungen, mit den Fingerspitzen den Umschlag seiner Hose hätte streifen können.
    Das Folgende spielte sich so schnell ab, daß ich zunächst gar nicht begriff, was er da fabrizierte. Gladys schrie entsetzt auf, als Max’ Kopf unter ihrem Rock verschwand. Im nächsten Augenblick kletterte sie blitzschnell einige Sprossen höher.
    - ALSO NEIN, VERDAMMT NOCHMAL, HAST DU DAS GESEHN …?!! stammelte Hermann.
    - MAX …! BIST DU NOCH BEI TROST …?! tobte Gladys. Wir waren alle drei vollkommen verdutzt. Die Szene war so schnell über die Bühne gegangen, daß ich noch wie gelähmt und mit halboffenem Mund dastand. Max lachte laut auf, dann klappte er den Kopf nach vorn und stieg behende die letzten Sprossen hinab.
    Eine Handvoll Blätter, vom Wind aufgewirbelt, flog über das Tor und prasselte vor unsere Füße. Die beiden trafen fast gemeinsam, sozusagen Kopf an Kopf, unten

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