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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Weile lief alles wunderbar, solange wir uns nur amüsierten und es nicht um Geschlechtsverkehr im eigentlichen Sinne ging. Aber so etwas kann nicht ewig dauern, und als ich sah, daß der Tag anbrach, beschloß ich, zur Sache zu kommen. Mein Herz klopfte, denn ich war mir vollauf bewußt, daß dieser Fluch enden würde, der auf mir ruhte, seit Elsie zu ihrer Kreuzfahrt aufgebrochen war. Ich war tatsächlich fast zu dem Schluß gelangt, daß sie mich verhext hatte, und ich mußte zugeben, daß ich mich in letzter Zeit nicht ganz wohl in meiner Haut gefühlt hatte, ich fürchtete, sie werde mich hartnäckig weiter verfolgen und plötzlich in Versuchung geraten, mir eine Schlinge um den Hals zu legen. Ah, hätte sie mich doch nur in diesem Augenblick gesehen, büschelweise hätte sie sich die Haare ausgerauft!
    Ich wähnte mich bereits in ihr, als ich meine neue Geliebte bestieg, und wie im Traum bog ich langsam ihre Knie zu ihrer Brust. Doch sie streichelte mir über die Wange und bremste mich mit einem Lächeln.
    Ich erstarrte in einem fassungslosen Schweigen, als ich sie aus dem Bett hüpfen sah. Ich blickte ihrem nackten Körper nach, der durch das Halbdunkel huschte, und meine Kehle wurde ganz trocken. Im Ernst, ich spürte, daß das nichts Gutes verhieß.
    Sie vollführte ein kurzes Hin und Her im Badezimmer, während ich ernüchtert auf der Bettkante wartete.
    Als sie zurückkam, atmete ich auf, ich nahm sie in meine Arme und preßte mein Gesicht gegen ihren Bauch. Sie gab sich dem willig hin, zeigte nicht das geringste Zeichen von Ungeduld und spielte mit meinen Haaren, als ich mich so gehenließ.
    Ich für mein Teil hätte noch eine ganze Weile so bleiben können, aber ich wollte es nicht übertreiben und warf sie ein zweites und hoffentlich letztes Mal aufs Bett.
    Zu meinem Leidwesen stützte sie sich lachend auf einen Ellbogen und drückte mir zärtlich ein Präservativ in die Hand. Fast hätte ich mich verschluckt.
    - Jessesmaria …! sagte ich zu ihr und drehte das Ding zwischen den Fingern. Das ist doch nicht dein Ernst …?!
    Sie nickte heftig und preßte nervös die Beine zusammen. Ich schaute sie flehenden Blickes an, aber sie war von einem unbeugsamen Willen beseelt und ließ mich unzweifelhaft spüren, daß es sinnlos war, weiter zu betteln. Entweder oder. Ich überlegte eine Sekunde. Dann setzte ich mich auf die Bettkante und betrachtete das Ding mit angewidertem Gesicht.
    Das letzte Mal, daß mir so eine Sache untergekommen war, lag mindestens dreißig Jahre zurück, und ich erinnerte mich, daß ich damals mit einem Blick erkannt hatte, daß dieses Ding nicht mit mir harmonierte, und ich hatte es aus meinem Gedächtnis gestrichen. Es versetzte mir einen leichten Stich, als ich mit einem Ruck die Hülle des Kondoms aufriß, denn ich hatte urplötzlich Angst, daß dies nur das erste einer langen Reihe war. Das war meine erste Begegnung mit der traurigen Realität. Ich ließ die Verpackung fallen. Mir war, als würfe ich einen kleinen Blütenkranz auf den Boden.
     
    Ich verließ sie in aller Frühe. Ich weckte sie nicht, aber ich zog ihr die Decke über die Schultern, und ich klemmte die Vorhänge mit einem Stuhl fest, damit sie ausschlafen konnte. Ich war nicht müde. Ich ging zu meinem Motorrad und fuhr ein wenig durch die Stadt, langsam rollte ich durch die menschenleeren Straßen, ohne an etwas Bestimmtes zu denken, denn sobald mir ein Gedanke kam, verscheuchte ich ihn. Der Wind blies in heftigen Böen und heulte.
    Es war niemand da, als ich nach Hause kam. Ich rannte ins Badezimmer und sprang unter die Dusche, um so zu tun, als finge der Tag gerade erst an. Ich fühlte mich leicht benommen.
    Eigentlich hätte ich mir die Hände reiben können, weil der Bann gebrochen war, ein kleines fröhliches Liedchen hätte mir über die Lippen kommen müssen … Aber mir war nicht danach zumute. Im Grunde hatte ich nicht das Gefühl, daß wir miteinander gebumst hatten, dieses Mädchen und ich. Und keine Mauer hatte uns getrennt, nein, nur ein feines Gummihäutchen. Doch das Ergebnis war dasselbe.
    Ich hüllte mich in meinen Bademantel und starrte durch das Klappfenster auf die dicken Wolken, die vorbeifegten. Ich spürte, wie mir die Vorboten der ersten herbstlichen Regenfälle den Rücken kitzelten.
    Hermann traf ein, als ich mir gerade zwei Eier in die Pfanne schlug. Kaum hörte ich die Tür ins Schloß fallen, machte ich noch zwei mehr.
    Ich sah ihm an, daß sich die Sache nicht wieder eingerenkt hatte,

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