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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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aber ich wußte nicht, ob er Lust hatte, darüber zu reden, oder nicht. Ich stellte das Radio an. Ich setzte mich zu ihm, und schweigend aßen wir unsere Eier, denn über den Sender lief wie durch ein Wunder Diamonds on the soles of her shoes, und das, das mochten wir beide, unsere Geschmäcker trafen sich, wenn es um das berühmte Graceland von Paul Simon ging.
    - Scheiße, sie will mich nicht mal anhören …! seufzte er schließlich. Ich weiß nicht, was ich tun soll …!
    - Hmm … Ich will dich ja nicht erschrecken, aber ich fürchte, das ist erst der Anfang deiner Sorgen … Und ich spreche nicht nur von Gladys, sondern davon, was dich ganz allgemein erwartet. In diesem Leben ist nichts ganz einfach.
    Ich wußte nicht, ob es ihn interessierte, was ich da erzählte, jedenfalls guckte er nach draußen als würde die Lösung, die ihm aus der Patsche half, in den Bäumen aufleuchten. Vielleicht war das als Einstellung nicht schlechter, als alles andere auch, ich kam in ein Alter, wo man nichts mehr mit Sicherheit weiß.
    - Ich kenn die nicht mal, diese Tussi, ich schwor’s dir …! stöhnte er und ballte die Faust auf dem Tisch.
    Ich kannte die Einzelheiten noch nicht, aber ich merkte schon, woher der Wind wehte. Ich gähnte schon im voraus.
    - Wen kennst du nicht …? fragte ich aus reiner Menschenfreundlichkeit.
    Der Himmel war nicht sehr dunkel, aber ein feiner Regen prasselte horizontal gegen die Fensterscheibe.
    - Keine Ahnung, wie sie darauf kommt, ich hätte die geküßt, fuhr er mit müder Stimme fort. Sowas Beknacktes …! Nie im Leben … Scheiße, sie behauptet auch noch dreist, sie hätte mich gesehn …! Was sagt man dazu …?
    - Mmm, du hast recht, manchmal sollten sie ‘ne Brille aufsetzen … Da kann ich dir nur zustimmen.
    - Ah! Die Sache macht mich krank …! Ich kann dir sagen, mir ist das Lachen vergangen …
    Er schien am Boden zerstört. Trotz allem, ich wollte mich nicht über ihn lustig machen, denn ich erinnerte mich, daß mich mein erster Liebeskummer über eine Woche lang völlig plem-plem gemacht hatte.
    - Ach, mach dir keine Sorgen. Morgen hat sie’s vergessen …!
    - Pffff … Du hast gut reden …! Ich hab die ganze Zeit vor ihrer Tür gestanden, ohne daß sie einen Ton gesagt hat.
    - Ja, weißt du, man muß Geduld haben … Ich behaupte ja nicht, daß sie dir gleich um den Hals fallen wird, so glimpflich wirst du nicht davonkommen, ich meine nur, die dicksten Wolken haben sich bis dahin verzogen und du hast das Schlimmste hinter dir. Dann kannst du dir deinen Felsbrocken wieder nehmen und bis zum Gipfel rollen. Tja, dem entgeht keiner …
    Er stand auf, um ein Glas Wasser zu trinken, aber kurz darauf hing sein ganzer Kopf unter dem Hahn. Ich hatte niemals behauptet, daß man es leicht hat. Ich reichte ihm das Handtuch, das ich mir um den Hals geschlungen hatte, und warf unser Geschirr in die Spülmaschine.
    - Und was sagt Richard dazu?
    - Och … Er hat mir wenigstens zugehört … Glaub mir, ich würde dieses Mädchen nicht mal wiedererkennen …!
    - Hör mal, mag sein, daß das für ein paar Tage recht hart ist, aber ich glaube, sie hängt wirklich an dir. Du kannst dich beruhigt schlafen legen …
    - O la la, ich fürchte, ich mach kein Auge zu, wimmerte er. Mir geht die ganze Geschichte nicht aus dem Kopf …! Verdammt, das ist doch einfach bekloppt … !!
    - Mmm, so kann man es nennen.
    Wir stellten uns ans Fenster und schauten auf die von Wind und Wetter gepeinigte Straße. Der Regen weigerte sich immer noch zu fallen. Ich löffelte bedächtig einen Joghurt und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er in seinem Liebeskummer Grimassen schnitt.
    - Andererseits, was ist es schön, verliebt zu sein, sagte ich mir, naja, jedenfalls, soweit ich mich erinnern konnte.
    - Herrgott, das ist vielleicht ein Sonntag …! meinte er.
    - Mmm, kein Wetter, um einen Hund vor die Tür zu jagen.
    - Nein, ein echter Scheißsonntag …! erklärte er kopfschüttelnd. Ich kann es nicht fassen, was mir da passiert ist …
     
    Am nächsten Tag erfuhr ich Gladys’ Version. Sie hatte einen Kurs geschwänzt, um ihre Sachen abzuholen, und sie preßte sich in der Küche eine Apfelsine, während ich vor dem Fernseher saß und mir einen Kampf im Frauencatchen ansah und überlegte, daß mir das Schlimmste bislang erspart geblieben war.
    - Weißt du, rief sie mir durch die Wand hindurch zu, der hat sich in den Finger geschnitten, wenn er mich für dumm verkaufen will! Ich glaube, der hätte die glatt vor

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