Rückkehr in Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
Kein Mond und auch keine Sterne erhellten den Nachthimmel, nur der Schein der Fackel in Grimmbolds Hand erleuchtete den Weg des bösen Quartetts. Die Fledermäuse flatterten hinter ihrem Meister her, sie benötigten kein Licht um sich im Dunkel zurechtzufinden.
Die riesigen Füße des Kobolds zerstampften das Gras der Anhöhe, hinter der die Hauptstadt Anduras lag. Er suchte nach einer bestimmten Stelle und seine kleinen, böse drein blickenden Augen huschten unentwegt über den Erdboden. Er stampfte immer wieder mit den Füßen auf, ging dann ein paar Schritte und stampfte erneut auf. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals unter den neugierigen Blicken der Fledermäuse, bis plötzlich der Boden etwas nachgab und ein metallisches Scheppern ertönte. Ein Lächeln huschte über Grimmbolds Gesicht.
Mit einem kräftigen Stoß rammte er den Fackelstiel in den Boden und begann mit seinen Händen das Gras zur Seite zu heben. Darunter kam eine große viereckige Klappe zum Vorschein, in rostigem Rot im Schein des Fackelfeuers schimmerte. Ein großer Metallring prangte in der Mitte dieser Klappe. Der Kobold ergriff ihn und zog feste. Mit einem Ächzen hob sich die Platte und das Knarren und Quietschen eingerosteter Scharniere hallte laut durch die Nacht.
Angestaute und modrig riechende Luft, über Jahrzehnte angesammelt und sichtlich gelangweilt gewesen in dieser Zeit, entfuhr zischend und keuchend der schmalen Öffnung. Dann warf Grimmbold die Luke zurück und sie schepperte gedämpft auf dem Gras. Die Öffnung im Boden offenbarte einen tiefe n Schacht, in den eine lange, rostige Leiter hinein führte. Und dem Schacht folgte ein alter muffiger Tunnel. Gemeinsam mit seinen Fledermäusen stieg der Kobold die Leiter hinab in die Finsternis und betrat den Tunnel.
Grimmbold hielt die Fackel in den Gang und erhellte ihn damit. Dann ging er ein paar weitere Schritte in den Korridor hinein und seine Fledermäuse folgten ihm auf dem Fuße. Einige Sekunden verstrichen, in der Außenwelt öffnete sich der Himmel und ließ einen Tag beginnen, welcher sofort wieder beendet war und eine neue Nacht beginnen ließ.
Und dann erstarrten die vier finsteren Gefährten, denn im Schein der Fackel zeichnete sich eine vermummte Gestalt ab. Sie trug einen langen Mantel mit einem Cape daran. Die Kapuze war tief ins Gesicht gezogen und die gesamte Bekleidung war tiefschwarz, bis hin zu den Stiefeln, der Hose, der Handschuhe und sogar der Gesichtsmaske, die man im Kinnbereich noch erkennen konnte. Diese Person schien definitiv nicht erkannt werden zu wollen. Nichts ließ erkennen, wer oder was diese Gestalt war. Man konnte es einfach nicht ausmachen, ob es nun ein sehr großer Kobold oder ein Mensch oder ein viel zu kleiner Troll war. Diese Gestalt war einfach nur eine Gestalt und sie war ganz in schwarz gekleidet. Sie hob eine Hand, wie zur Abwehr.
„Dies ist nah genug, Herr Kobold!“ flüsterte die Gestalt mit dunkler Stimme. Grimmbold verzog das Gesicht. Er hatte gehofft aufgrund der Stimme vielleicht die Spezies bestimmen zu können, doch dem war nun nicht so. Eindeutig war nur eine Sache, nämlich dass die Gestalt männlich war. Doch das war alles, was der Kobold aus der Stimme des Fremden herausfiltern konnte.
Grimmbold und die Fledermäuse gehorchten den Anweisungen der Gestalt und blieben stehen.
„Ich hoffe sie haben gefunden, wonach ich suche!“ zischte der Kobold.
„Gewiss!“ nickte der Fremde. Dann geschah einige Sekunden gar nichts und dann, ganz plötzlich zuckte die Hand des Fremden und griff in die Tasche seines Mantels. Er holte einige vergilbte und scheinbar uralte Pergamente hervor und hielt sie hoch.
„Dies hier ist das Objekt ihrer Begierde. Eine genaue Anleitung des Rituals des Hacki-Schang-Dingsda-Deddeldu! (Der mächtige Hexenmeister mit dem lustig klingenden Namen Hacki-Schang-Dingsda-Deddeldu, von seinen Freunden nur kurz Hacki genannt, ersann vor vielen tausend Jahren dieses Ritual. Es ermöglicht jemandem eine beliebige Person aus einer anderen Welt herbei zu rufen oder sie in eine andere Welt zu verbannen. Hacki gebrauchte dieses Ritual um seine tyrannische Schwiegermutter in eine andere Welt zu verbannen und wieder zu rufen. Und dann wieder zu verbannen und zu rufen. Und wieder zu verbannen und zu rufen. Und so weiter. Auf diese Weise konnte die arme Frau sich niemals eine neue Existenz aufbauen, da ihr Arbeitgeber ja zum Beispiel nie wusste, in welche Welt er den Lohn schicken sollte. Vierunddreißig
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