Rückkehr in Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
Tag!“
Doch die Königin hörte ihn schon nicht mehr, sie war längst wieder in den Schlaf gesunken. Auf Zehenspitzen schlich der König zur Garderobe und warf sich seinen weichen, warmen Pelzbademantel um. Die Krone setzte er sich auf den Kopf, so wie es sich gehörte. (Allerdings vergaß er dabei die Schlafmütze abzunehmen, was dann doch etwas albern aussah.) Und das königliche Zepter schob er sich lässig in den Hosenbund hinein. So leise wie es nur irgend möglich war, ging der König zur Tür hinaus und auf den Korridor.
„Guten Morgen, Euer Hoheit!“ erklang auch sofort eine leise schnaufende Stimme. Der König blickte auf. Direkt vor ihm stand Rupert Le’Fuet, des Königs rechte Hand und Berater in allen Dingen. Er war klein und schmächtig, mit einer schiefen Nase und kleinen, fast nicht sichtbaren Augen. Er hielt dem König eine große Tasse heiße Schokolade vor die Nase. Seine Hoheit lächelte über das ganze Gesicht und griff freudig zu.
„Guten Morgen, Rupert!“ entgegnete er. „Wie rührend und fürsorglich du doch immer an mich denkst!“
„Das ist die Aufgabe, für die ihr mich bezahlt, Euer Hoheit!“ erwiderte Rupert und verbeugte sich leicht vor seinem Arbeitgeber.
„Und wie geht es meinem Königreich heute?“ fragte der König, während Beide langsam den Korridor entlang gingen. Er hielt die Tasse heiße Schokolade in beiden Händen und blies sanft hinein, um sie zu kühlen.
„Hervorragend, Euer Hoheit, sogar außerordentlich! Das Volk liebt euch, vergöttert euch geradezu! Jedoch bereitet mir eine Sache etwas Sorgen...“ entgegnete Rupert, brach allerdings ab um des Königs Reaktion abzuwarten. Es geschah nichts. Der König blies erneut in seinen Kakao, welcher noch immer vergnügt vor sich hin dampfte. Le’Fuet fuhr fort:
„Es geht um eure Tochter, die Prinzessin, oh Hoheit!“ beendete er den Satz. Und nun zeigte der König endlich eine Reaktion. Ganz langsam, fast schon bedächtig, drehte er den Kopf zu seiner rechten Hand. (Nein, die andere rechte Hand. Also zu Rupert, der an seiner linken Seite ging!) Seine Augen waren groß und völlig unwissend. Der König hatte keine Ahnung, worauf Rupert hinaus wollte.
„Was meinst du?“ fragte er und Rupert wand sich um eine Antwort.
„Nun,“ begann er „die Prinzessin ist recht einsam. Ich fürchte, sie zieht sich innerlich immer mehr zurück. Sie hat keine Freunde und niemanden, mit dem sie mal reden kann.“
„Das ist Humbug, Rupert. Sie hat Freunde und auch jemanden, mit dem sie reden kann!“ erwiderte der König entrüstet. Doch Rupert ließ nicht locker.
„Wen denn?“
„Na, ihre Eltern natürlich! Damit meine ich die Königin und mich!“
„Ich fürchte, das ist nicht dasselbe, euer Hoheit. Und mal abgesehen davon, ist eure Tochter nun in einem gewissen Alter.“
Der König blieb stehen. Die heiße Schokolade verwandelte sich mehr und mehr in lauwarme Schokolade.
„Und was bedeutet dies nun wieder?“
„Naja, also, sie ist nun... wie soll ich sagen... in einem gewissen Alter, versteht ihr? Sie ist kein Kind mehr und so...äh...“ Rupert fühlte sich bei diesem Thema mehr und mehr unbehaglich. Doch der König verstand noch immer nicht.
„Natürlich ist sie ein Kind. Mein Kind!“ Rupert stöhnte leise.
„Mit Verlaub, vergebt mir meine offenen Worte, euer Hoheit, aber die Prinzessin ist beileibe kein Kind mehr. Sie ist... nun, sie entwickelt sich. Zu einer... zu einer... also, zu einer...“
„Zu einer was?“ hakte der König nach und setzte die Tasse mit mittlerweile kühler Schokolade an die Lippen.
„Nun, sie ist herangewachsen zu... Sie hat die nächste Stufe erklommen auf dem Weg zu... Ihr wisst schon, euer Hoheit!“
Weiterhin verloren in Unwissenheit schüttelte der König den Kopf, sah Rupert fragend an und verzog dann das Gesicht. „Bäh! Der Kakao ist aber gar nicht heiß!“
Le’Fuet verdrehte die Augen. „Um Himmels willen, Hoheit!“ bekräftigte er. „Eure Tochter ist eine Frau geworden und sie wird einen Mann brauchen!“
Dies war der Augenblick
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