Rückkehr in Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
betrachtete sie. Liebte er sie? Er wusste es nicht. Aber er wusste, dass er König sein wollte und eine Heirat mit der Prinzessin konnte ihn dazu machen. Im Grunde war es ein sehr einfacher Plan.
Erstens: Prinzessin heiraten.
Zweitens: König und Königin loswerden.
Drittens: Selber König werden und herrschen.
Eigentlich alles sehr einfach, das einzige Problem schien die Prinzessin zu sein. Aus irgendeinem Grund konnte sie Rupert nicht leiden. Oder hatte sie seine Absichten schon längst durchschaut? Nein, nein, dann hätte sie ihrem Vater etwas gesagt. Anscheinend konnte sie Rupert wirklich einfach nur nicht leiden.
Er stellte das Tablett mit dem Frühstück auf den kleinen reich verzierten Tisch neben dem Bett. Sein Blick huschte über das wunderschöne Antlitz der jungen Thronfolgerin, das von goldenen Locken umrahmt wurde. Zu gleichen Teilen angewidert und entzückt von so viel Unschuld und Schönheit wandte sich Rupert schließlich um und verließ das Zimmer der Prinzessin wieder.
Dann durchquerte er die verwinkelten Korridore des Schlosses und begab sich tiefer und tiefer bis er den Keller erreichte, in dem sich sein Arbeitszimmer befand. Pechfackeln in rostigen Halterungen erhellten den Keller nur träge. Spinnweben und allerlei Sorten von grauem Staub säumten die Gänge. Und dann erreichte er die massive Holztür mit dem schweren Eisenring daran, die zu seinem Arbeitszimmer führte. Mit einem leisen Knarren öffnete er die Tür.
Es war düster und unheimlich in diesem Zimmer. Mehrere Kerzen tauchten den Raum in eine unheimliche und vor allem unheilvolle Atmosphäre. Dann sah Rupert eine Bewegung auf seinem Schreibtisch, der mit haufenweise Formularen, Quittungen, Verfügungen, Büchern und Gesetzesvorlagen vollgeladen war.
„Syracruz? Bist du das?“ fragte er in die Düsternis hinein und schritt näher. Ein Rascheln ertönte und kleine Fledermausohren erschienen hinter einem besonders dicken Buch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Den Fledermausohren folgten Fledermausaugen und eine Fledermausnase und dann eine Fledermausschnauze. Eine schmale Nickelbrille ruhte auf der noch schmaleren Nase. Syracruz legte den Kopf schief und flatterte kurz mit den kleinen ledernen Flügeln.
„Ah, Rupert. Du bist zurück. Wie ist deine geplante verbale Interaktion mit dem Regierungsoberhaupt gelaufen?“ fragte die Fledermaus und zog fragend eine Braue hoch. Rupert schüttelte sich, die hohe Intelligenz und die geschwollene, fast schon arrogante Ausdrucksweise dieses fliegenden Nagers bereitete ihm immer wieder Unbehagen. Es war beängstigend, wie die Gerissenheit und Klugheit regelrecht aus diesem Tier heraus strömte wie Schweiß aus einem Langstreckenläufer.
„Ich habe ihn um den kleinen Finger gewickelt! Schon bald wird die Prinzessin mir gehören!“ zischte Rupert und schaffte es nicht ein glucksendes Kichern zu unterdrücken. Syracruz schnaubte hörbar.
„Es gehört bei weitem mehr dazu einer Prinzessin Herz zu erobern, als ihren Vater um den kleinen Finger zu wickeln. Solange die Prinzessin dir nicht vertraut, ist nichts gewonnen! Aber das wird sie nie, weil sie dich für ein parasitäres Individuum hält. Aber ich habe in deiner Abwesenheit bereits an einer Lösung für dieses Problem gearbeitet.“ flüsterte die Fledermaus und blickte über die Ränder der schmalen Nickelbrille hinweg. Rupert spürte wie sich seine Nackenhaare aufstellten. (Und die Haare auf seinen Armen und auf dem Rücken ebenso!)
„Äh... Die Prinzessin hält mich für WAS?“ fragte er und fühlte sich der Fledermaus regelrecht ausgeliefert. Erneut blickte Syracruz über die Ränder der Nickelbrille hinweg. Eine Mischung aus Mitleid, Abscheu und Berechnung lag in seinem Augen.
„Sie hält dich für ein parasitäres Individuum. Mit anderen Worten: Die Prinzessin findet, dass du ein fieses, intrigantes, hinterhältiges und vor allem hässliches Scheusal bist!“
„Oh. Aha. Und was soll ich nun tun?“ fragte Rupert.
Syracruz lächelte und sein Lächeln strahlte voller Macht und Wissen.
„Komm her, Rupert. Ich werde es dir erläutern. Ich habe bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt…“
Tauschgeschäfte
Die Nacht lag still und finster über der Welt.
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