Rückkehr in Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
Krämer hatten im Laufe der Zeit ein untrügliches Gespür entwickelt was die äußerst wechselhaften Bedingungen von Tag und Nacht angingen. Ein einziges Aufleuchten der Sonne genügte, um sie alle aus dem Schlaf zu reißen, sei es dass die vergangene Nacht Stunden oder Tage oder auch nur Minuten angedauert hatte. Frisch und ausgeruht hüpften sie aus ihren Betten, eröffneten ihre Buden und Stände und boten innerhalb von Minuten erneut ihre Ware feil.
An diesem Tag verspürte die Prinzessin ebenfalls Lust darauf über den Markt zu schlendern und damit sie ihre manchmal ziemlich überragenden Einkäufe nicht selbst tragen musste, nahm sie, wie eigentlich immer, den gutaussehenden Diener Miguel mit sich. Während die Prinzessin mit einem koketten Sommerkleid bekleidet nahezu unbehelligt über den Markt schritt und ihr jeder Bürger der Stadt grüßend und lächelnd aus dem Weg ging, rempelte Miguel fast jeden Bürger der Stadt an, wofür er wieder und wieder missbilligende Blicke und Beschimpfungen erntete. Dennoch trug er es mit Fassung, war er doch in diesem Augenblick nicht nur für die Einkäufe der Prinzessin zuständig, sondern auch für ihre Sicherheit, denn Leibwächter nahm sie niemals mit zum Einkaufen. Sie hasste diesen Tumult, der dann um ihre Person gemacht wurde.
„Dort, seht nur, Miguel! Ein Schmuckhändler! Lasst uns sehen, was er zu bieten hat!“ sagte die Prinzessin, nachdem sie die Verkaufsstände für Nahrungsmittel und Waffen überaus gelangweilt hatten. Sofort änderte sie ihre Richtung, schwenkte auf dem total überfüllten Markt seitwärts ein und schaffte es dennoch ohne jeden körperlichen Kontakt zu anderen Marktbesuchern zum besagten Stand des Schmuckhändlers zu gelangen.
Miguel hatte da weniger Glück, denn die abrupte Wendung der Prinzessin ließ viele Menschen ebenfalls ihre Richtung ändern, sodass sie nun alle dem armen Miguel im Weg standen.
„Verzeihung! Oh, tut mir leid! Autsch! Entschuldigung, das war ihr Fuß? Tut mir… AUTSCH! Das war jetzt mein Fuß! Ja, ich weiß. Verzeihung! Achtung, bitte!“ kommentierte er seinen Weg zur Prinzessin und bahnte sich eine eigene Gasse durch die Menge der Menschen.
Inmitten dieses Chaos blickte ihn eine alte Frau an. Sie trug einen abgewetzten, alten Rock und einen spitzen, dreckigen Hut. Ihre runzligen Hände ruhten beide auf dem Knauf eines knorrigen Stabes, auf den sie ihren gebrechlichen Körper stützte.
„Ist denn das die Möglichkeit?“ murmelte sie vor sich hin und runzelte die Stirn. Ihr Blick glitt von Miguel zu der Prinzessin und dann wieder von der Prinzessin zurück zu Miguel. Dann schloss die alte Frau kurz die Augen. Leise flüsternd verließen fremdartige Worte ihre Lippen, klangen über den Marktplatz hinweg wie das zarte Wehen eines kaum wahrnehmbaren Windes und erreichten den Diener Miguel, ohne das er davon Kenntnis nahm. Die alte Frau lächelte.
„So ein reines Herz, so voller Liebe und Aufopferung, so völlig ohne Arg.“ lächelte sie in sich hinein, dann öffnete sie ihre Augen wieder. Miguel hatte die Prinzessin fast erreicht.
„Noch nicht. Nein, noch nicht.“ murmelte die alte Frau und machte eine nahezu unsichtbare Handbewegung. Sofort drückten die Menschenmassen den armen Miguel wieder rückwärts, als hätten alle Menschen dort zur selben Zeit dieselbe Sache erblickt, der sie nun ihr Augenmerk schenken wollten. Mit langsamen Schritten ging die alte Frau derweil zur Prinzessin, die beim Schmuckhändler mehrere glänzende und blinkende Stücke begutachtete. Sie bemerkte die alte Frau nicht, die sich immer weiter näherte, bis sie Schulter an Schulter standen. Als die Prinzessin die runzlige Hand der Alten auf der ihren spürte, zuckte sie erschrocken zusammen.
„Habt keine Angst, Prinzessin, ich bin nur eine arme alte Frau.“ lächelte die Alte nahezu zahnlos, doch verbarg sie dabei ihr Antlitz größtenteils unter der Krempe des Hutes. Die Prinzessin atmete hörbar auf.
„Wie kann ich euch behilflich sein, Großmütterchen? Braucht ihr Hilfe beim Tragen eurer Einkäufe? Mein Diener Miguel kann…“ begann die Prinzessin, doch die alte Frau fuhr ihr mit spitzer Zunge dazwischen.
„Euer Diener
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