Rückkehr in Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
Arbeitszimmer.
Ein seltsames
Weihnachtsgeschenk
Eine weiße Pracht bedeckte halb England und ebenso das Anwesen des alten Lord Sinclair. Der Schnee auf den Dächern des riesigen Schlosses leuchtete regelrecht im Schein des vollen Mondes und auch die unheimlichen Bäume des Anwesens sahen im Schnee nur noch halb so düster aus. Hier und dort waren weihnachtliche Dekorationen, auf Drängen der kleinen Sarah, am Schloss angebracht worden, was dem alten Lord zwar nicht wirklich gefiel, er aber dennoch mit einem grimmigen Brummen zur Kenntnis genommen und akzeptiert hatte.
Seit einem Jahr lebten die kleine Sarah und ihre Eltern John und Lucy nun schon bei Lord Vincent Sinclair, nachdem sie ihre Reise in die wundersame Welt Notrak Husch hinter sich gelassen hatten und ihr Haus nur noch ein verkohltes Gerippe gewesen war. Ein langes Jahr war es her, seit Grimmbold der Kobold, John und Lucy hatte entführen lassen. Ein Jahr war es her, seit Sarah zusammen mit ihren Freunden die Rückkehr der finsteren Kaiserin verhindert hatte. Und doch hatte keiner von ihnen dies jemals vergessen, es war ihnen allen so präsent als sei es erst gestern gewesen.
Sarah hatte im vergangenen Jahr wieder die Schule besucht, doch dort fand sie nur wenig Antrieb und genauso wenig Freunde. Immer noch hingen ihre Gedanken an Notrak Husch, der wundersamen Welt, deren Zugang hoch droben im Nordturm des alten Sinclair-Schlosses verborgen war. Gab es denn in Notrak Husch keine Schule, auf die sie gehen konnte? Wäre dies keine Möglichkeit, dem langweiligen britischen Schulsystem zu entgehen? Das fragte sich Sarah oft, doch ihr Onkel, der alte Lord Sinclair, hatte sie mehr als deutlich gewarnt.
„Diese Welt und ihr Zugang sind kein Spielzeug, Sarah!“ hatte er gesagt. „Diese Welt muss gehütet werden, denn sie ist zerbrechlicher als du glaubst und unserer Welt mehr verbunden als du dir vorstellen kannst…“
Onkel Vincent wusste vieles über diese Welt, das wusste Sarah genau und sie hatte herausgefunden, dass er einst ein Teil von ihr gewesen ist. Sie erinnerte sich an die Geschichte, die ihr Thaddäus Jones, der Chronist von Notrak Husch, erzählt hatte.
Es war die Geschichte eines alten Zauberers gewesen, eines mächtigen Zauberers, und Sarah wusste, dass dieser Zauberer mit dem Namen Vincent Rialc’Nis ihr Onkel Vincent war. Aber diese Geschichte handelte von Ereignissen, welche über tausend Jahre zurücklagen, zumindest nach notrakischen Verhältnissen, und es war unmöglich zu sagen, wie viele Jahre dies wohl auf der Erde waren. Aber konnte es möglich sein, dass Onkel Vincent tatsächlich schon so alt war? Und was meinte er damit, dass Notrak Husch gehütet werden musste?
Die kleine Sarah hatte so viele Fragen, Fragen über Fragen, doch je mehr und je intensiver sie Lord Sinclair damit löcherte, umso mehr versteifte sich der alte Mann und seine Standardantwort war stets: „Eines Tages werde ich dir alles erklären, doch bis dahin lerne in der Schule!“, was ein e sehr unbefriedigende Antwort für ein kleines Mädchen war.
An diesem Abend lag Sarah in ihrem Bett und rieb sich die verschlafenen Augen und Mister Barcley tat es ihr gleich. Dann richtete sich das kleine Mädchen mühsam auf und vertrieb die Benommenheit der Nacht aus ihrem Körper. Sie spähte durch ihr Zimmer.
Es war dunkel, bis auf die spärliche Nachtbeleuchtung, die dem Mädchen den Schlaf erleichtern sollte. Kleine Monde und Sterne und Sternschnuppen leuchteten phosphoreszierend über ihrem Bett. Mittlerweile hatte sie den Staub der Jahrhunderte weggewischt und nun sah das Zimmer bei weitem nicht mehr so grausig, ungemütlich und düster aus. Nur die Spinnweben hatte sie hängen lassen, schließlich war die kleine Spinne, die hinter der großen Wanduhr lebte, eine gute Freundin des Mädchens geworden.
„Golgrimm?“ fragte sie in die Dunkelheit hinein. Keine Antwort. Und doch konnte sie das leise Schluchzen und Schniefen hören und es war eindeutig der kleine Kobold aus der anderen Welt, der dort schluchzte und schniefte. Das Mädchen stand auf und durchquerte bedächtig das Zimmer, vorbei an einem kleinen Spielzeugschlösschen, kleinen Spielzeugrittern und kleinen Spielzeugprinzessinnen, welche von furchterregenden rosafarbenen Spielzeugmonstern gefangen gehalten wurden und sehnsüchtig nach ihrem rettenden Spielzeugprinzen auf dem weißen Spielzeugschimmel Ausschau
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