Rueckkehr nach Abbeydale
hinter sich zu schließen, hörte sie, wie Susan Edmonson vertrauensvoll zu der nächsten Kundin sagte: „Sie war ein cleveres Mädchen. Jetzt ist sie Lehrerin. Trotzdem passieren solche Dinge nun mal. Und es erwischt immer die Unschuldigen.”
Die letzte Bemerkung klang so tugendhaft, daß Kate lächeln mußte.
Da die Sonne inzwischen schien, blinzelte Kate, als sie die Straße überqueren wollte. Sie hatte Durst und wünschte, sie hätte statt des Sweatshirts etwas Leichteres angezogen. Am liebsten wäre sie im Pub eingekehrt, aber sie vermutete, daß es in den Dales immer noch nicht als selbstverständlich angesehen wurde, wenn eine junge Frau allein in den Pub ging. So tröstete sie sich mit der Aussicht, ein Glas von der selbstgemachten Limonade ihrer Mutter zu trinken, sobald sie wieder zurück war. Obwohl sie das Rezept kannte und die Limonade oft für Cherry gemacht hatte, hatte diese nie so gut geschmeckt wie bei ihrer Mutter.
Kate seufzte leise, als sie auf die Straße trat. Sie blieb jedoch abrupt stehen, weil in diesem Moment ein Range Rover mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeibrauste. Dabei erhaschte sie einen Blick auf den Fahrer. Der Mann hatte ein sehr markantes Profil, dichtes schwarzes Haar und einen grimmigen Zug um den Mund. Er trug ein kurzärmeliges weißes Hemd, und seine Arme waren gebräunt. Daß der Wagen dunkelblau war und ein Regierungswappen trug, nahm sie nur nebenbei war. Es schien ihr, als würde alles um sie her verschwimmen und als würde sie in die Vergangenheit zurückversetzt.
Der Mann am Steuer hatte ausgesehen wie Silas – ein wesentlich älterer Silas natürlich, der auch härter gewirkt hatte. Kate erschauerte und schalt sich im stillen für ihre Unachtsamkeit, weil sie einfach auf die Straße gegangen war, ohne sich umzusehen. Allerdings war sie auch wütend, weil sie sich so in ihre Erinnerungen hineingesteigert hatte, daß sie in einem Fremden Silas zu erkennen geglaubt hatte.
3. KAPITEL
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?”
Kate spürte, wie jemand den Arm um sie legte, und versteifte sich unwillkürlich. Als sie die unbekannte, aber freundliche männliche Stimme hörte, drehte sie sich erschrocken um.
Der Mann war nicht gerade schön, aber aufgrund seiner herben Züge trotzdem attraktiv und hatte freundlich blickende blaue Augen. Das zerzauste, von der Sonne gebleichte braune Haar verlieh ihm etwas Jungenhaftes, obwohl er ungefähr in ihrem Alter sein mußte.
Von seiner ausgeblichenen Jeans einmal abgesehen, war er genauso gekleidet wie alle Männer in den Dales, denn er trug ein abgewetztes Tweedjackett, ein kariertes Hemd und derbe Halbschuhe.
„Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben”, sagte er, da sie zurückwich. Dann umfaßte er ihr Handgelenk, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor.
Seine Finger fühlten sich ein wenig rauh an. Jetzt erst wurde ihr klar, daß er sie nur hatte festhalten wollen, damit sie nicht vors Auto lief.
„Ich beiße nicht, trete nicht und stampfe auch nicht mit dem Fuß auf”, fuhr er fort und lächelte jungenhaft. „Das überlasse ich lieber meinen Patienten. Ich arbeite in der Tierarztpraxis”, fügte er hinzu, da sie nicht auf seinen Scherz reagierte. „Mein Name ist Tim Stepping.”
Nachdem er sie losgelassen hatte, schüttelte er ihr die Hand. Er hatte einen festen Händedruck, und nun, da Kate sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte, besann sie sich auf ihre gute Erziehung und erwiderte sein Lächeln.
Es war, als würde die Sonne hinter den Wolken hervorkommen. Die Fremde war eine der bezauberndsten Frauen, die er je gesehen hatte. Mit ihrer blassen Haut und dem dunkelroten Haar wirkte sie so zart und empfindlich wie eine Orchidee. Gleichzeitig strahlte sie jedoch eine Stärke aus, die ihn faszinierte.
Obwohl man ihr ansah, daß sie aus dieser Gegend kam, wirkte sie wesentlich weltgewandter und eleganter als die Einheimischen, was nicht nur an ihrem perfekten Haarschnitt und ihren zarten Händen lag. Dennoch wirkte sie sehr verletzlich.
„Kate Seton”, erwiderte Kate.
„Seton?” Er zog die Augenbrauen hoch. „Doch nicht John Setons Tochter?”
„Genau die”, bestätigte sie leichthin, während sie sich fragte, wieviel Klatsch ihm wohl schon zu Ohren gekommen war.
Sie war also John Setons Tochter … Das erklärte sowohl ihre weltgewandte Erscheinung als auch ihre offensichtliche Empfindsamkeit. Suchend schaute er sich um, womit er sich wohl verriet.
„Meine Tochter ist auf dem Hof”,
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