Rueckkehr nach Abbeydale
draußen verbracht hatte.
Kate hatte sich etwas Arbeit von Zuhause mitgebracht – Aufgaben, die sie fürs neue Schuljahr vorbereiten wollte – und ging damit nach oben in ihr Zimmer, um für eine Weile ungestört zu sein.
Sie liebte ihren Beruf, obwohl sie ursprünglich den Wunsch gehabt hatte, wissenschaftlich zu arbeiten. Mittlerweile war ihr allerdings klargeworden, daß sie genau das Richtige getroffen hatte, so anstrengend das Unterrichten manchmal auch war. Es lag nicht zuletzt daran, daß ihre Schüler vorwiegend Kinder von Einwanderern waren. Die Eltern kümmerten sich besonders um ihren Nachwuchs und betrachteten eine gute Ausbildung als Schlüssel zum Erfolg.
In den Dales legten die meisten Familien genauso großen Wert auf eine gute Ausbildung, doch die meisten Kinder hatten einen sehr weiten Schulweg. Die Dorfschule existierte nicht mehr, und wenn sie, Kate, und Cherry tatsächlich umziehen sollten …
Plötzlich begann ihr Herz schneller zu klopfen. Nicht so voreilig, ermahnte sie sich, schließlich verbringen wir nur die Ferien hier. Als sie aber aufstand und aus dem Fenster sah, mußte sie sich eingestehen, daß sie großes Heimweh nach ihrem Elternhaus gehabt hatte. Hier fühlte sie sich frei, während sie sich in London regelrecht eingesperrt vorkam. Doch das wurde ihr erst in diesem Moment klar. Wieder in die Dales zu ziehen würde allerdings eine erhebliche Umstellung sein. Sie, Kate, mußte erst einmal eine Wohnung finden …
„Kate …”
Kate eilte aus dem Zimmer zur Treppe, weil ihr der ängstliche Tonfall in der Stimme ihrer Mutter nicht entgangen war.
„Annabel ist verschwunden”, erklärte ihre Mutter besorgt. „Könntest du sie suchen? Ich bin nämlich gerade beim Backen.”
Bei Annabel handelte es sich um ihre Ziege, denn ihre Mutter hatte immer darauf bestanden, eine Ziege zu halten, da Ziegenmilch ihrer Meinung nach gesünder war als Kuhmilch. Als Kate nach unten kam, erfuhr sie, daß Annabel den Strick durchgebissen hatte, an dem sie angebunden gewesen war, und weggelaufen war.
„Wenn sie auf das Gelände läuft, auf dem die Forschungsstation ist, gibt es großen Ärger”, fuhr Kates Mutter fort. „Letzte Woche war dort so ein Theater, weil eingebrochen wurde. Die Sicherheitsvorkehrungen sind sehr scharf.”
„Ich mache mich auf die Suche. Sie kann ja nicht weit gekommen sein”, versuchte Kate sie zu beruhigen, denn sie wußte, daß Ziegen überall stehenblieben, um zu fressen.
Wider Erwarten mußte sie jedoch feststellen, daß Annabel sich nicht mehr in der Nähe des Hauses befand. Schließlich erreichte Kate die Grenze, die zwischen dem Grundbesitz ihrer Eltern und dem der Regierung verlief. Während sie die Steinmauer betrachtete, die das Anwesen umgab und die man nachträglich mit einem Zaun erhöht hatte, überlegte sie, daß Annabel sicher nicht hineingekommen sein konnte.
In der Mauer befanden sich ausgetretene Vorsprünge, über die man früher einmal hatte hinüberklettern können, und Kate stieg hinauf, um einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Entsetzt stellte sie fest, daß die Ziege tatsächlich auf das Grundstück gelangt war. Sie schaute auf, als Kate ihren Namen rief, rührte sich aber nicht von der Stelle und fraß schließlich weiter.
Wie ist sie da bloß hineingekommen? überlegte Kate ein wenig amüsiert. Als sie wieder hinunterstieg und das letzte Stück sprang, merkte sie, daß sie keine besonders gute Kondition mehr hatte und ihre Hände ein wenig aufgeschürft waren. Früher war sie lange nicht so unsportlich und empfindlich gewesen.
Da sie herausfinden mußte, wie die Ziege auf das Grundstück gelangt war, und sie wieder herausholen mußte, schaute Kate sich um. Als sie schließlich Ziegenkot auf dem Boden entdeckte, atmete sie erleichtert auf und wandte sich nach rechts.
Entlang der Mauer verlief ein schmaler, überwucherter Weg, der zu einem Bauernhof führte. Von ihrem Vater hatte sie erfahren, daß dieser seit dem Tod seines letzten Besitzers vor fast zwei Jahren leerstand. Der Mann war in die Dales gezogen und hatte vergeblich versucht, Rinder zu züchten. Vor kurzem war der Hof verkauft worden, doch niemand wußte, an wen. Ihr Vater war darüber ein wenig verstimmt gewesen, weil er das Land gern selbst erworben hätte. Für die Schafzucht war es nämlich gut geeignet.
Da Kate Schuhe mit Ledersohlen trug, spürte sie jeden Stein unter den Füßen. Irgendwann blieb sie leise fluchend stehen und bückte sich, um sich die
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