Rueckkehr nach Abbeydale
weil sie Angst davor hatte, Silas gegenüberzutreten, sondern weil sie sich vor ihrer Reaktion darauf fürchtete.
Schon bei ihrer ersten Begegnung mit ihm war ihr klargeworden, daß sie sich körperlich immer noch zu ihm hingezogen fühlte. Obwohl sie das verräterische Prickeln seit der Trennung von ihm nicht mehr verspürt hatte, hatte sie es diesmal sehr wohl erkannt.
Und nun lernte sie nach und nach Facetten seiner Persönlichkeit kennen, die ihr bisher unbekannt gewesen waren. Es war, als würde sie ihn jetzt zum erstenmal so sehen, wie er wirklich war, und nicht nur als den Mann, der ihr Geliebter gewesen war.
Sie hatte zwar oft mit ihm über ihre gemeinsame Zukunft gesprochen, die Zukunft jedoch durch eine rosarote Brille betrachtet und sich ausgemalt, glücklich mit ihm verheiratet zu sein und Kinder zu haben. Obwohl sie damals von seinem Bedürfnis, sich für das Wohl der Menschheit zu engagieren, gewußt haben mußte, hatte sie ihm keine große Bedeutung beigemessen.
Sie ging gerade den Weg entlang und blieb abrupt stehen, weil ihr Tränen in die Augen getreten waren. Ärgerlich wischte sie sie weg. Weinte sie wegen Silas oder ihretwegen?
Als sie das Haus betrat, hörte sie das Geräusch einer Schreibmaschine. Ohne nachzudenken, öffnete sie die Tür zum Arbeitszimmer und blieb auf der Schwelle stehen.
Silas trug nur eine Pyjamahose und war barfuß. Sein Haar war zerzaust, und er runzelte die Stirn, weil er offenbar nachdachte.
„Ich dachte, Graham hätte dir gesagt, du sollst dich ins Bett legen”, erinnerte sie ihn scharf.
Einen Moment lang wirkte er amüsiert, und es schien so, als würden seine Augen belustigt funkeln. Kate errötete, denn erst jetzt wurde ihr bewußt, wie herrisch ihre Worte geklungen haben mußten.
„Das habe ich auch – bis das Telefon geklingelt hat. Deine Tochter spricht fast genauso wie du.”
Ihre Tochter. Er hatte mit Cherry gesprochen … Sofort geriet Kate in Panik, doch er redete weiter, und sie versuchte, sich zusammenzureißen.
„Du wolltest immer eine Familie gründen, stimmt’s? Du hast immer gesagt, daß du mindestens vier Kinder haben möchtest.”
Hatte sie das tatsächlich gesagt? Kate konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Sie liebte Cherry, doch die Erfahrungen, die sie im Beruf gesammelt hatte, hatten ihr sehr schnell die Illusion von der heilen Familie geraubt. Mittlerweile wußte sie, daß das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht immer so gut war wie zwischen ihr und Cherry.
„Und was ist mit den anderen dreien?” erkundigte er sich spitz.
Einen Moment blickte sie ihn starr an. „Wenigstens habe ich ein Kind”, entgegnete sie dann giftig. „Du hast nicht einmal das geschafft.”
Natürlich war das gelogen, aber das würde er sicher nicht merken, und bestimmt interessierte es ihn auch nicht. Verblüfft stellte sie fest, daß er kreidebleich wurde und zusammenzuckte, als hätte sie einen wunden Punkt bei ihm getroffen.
Sofort tat es ihr leid, so kindisch auf seine scherzhafte Bemerkung reagiert zu haben. Vermutlich hielt Silas sie für genauso unreif wie damals. Wie ihr plötzlich klar wurde, war es ihr wichtig, daß er nicht schlecht von ihr dachte.
„Tut mir leid, das war eine blöde Bemerkung”, entschuldigte sie sich schließlich leise. „Aber es überrascht mich, daß du nicht geheiratet und eine Familie gegründet hast. Du konntest immer so toll mit Kindern umgehen. Erinnerst du dich noch an das kleine Mädchen im Moor?”
„Jetzt wünsche ich mir jedenfalls keine Kinder mehr”, sagte er schroff. „In meinem Leben ist kein Platz mehr dafür.”
Kate war erstaunt über die unterdrückte Leidenschaft in seiner Stimme und den bitteren Ausdruck in seinen Augen. Silas hatte sich so verändert. Sie erkannte ihn kaum wieder, und das nicht nur deswegen, weil sie ihn mittlerweile anders sah. Der Silas, den sie damals gekannt hatte, hatte Kinder geliebt und sich eine Familie gewünscht. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie deswegen mit ihm herumgealbert hatte. Nachdem sie ihm versprochen hatte, daß ihr erstes Kind ein Junge sein würde, hatte Silas erklärt, eine Tochter wäre ihm lieber.
Seltsam, wie die Dinge sich manchmal änderten!
„Du hast heute noch nichts zu Mittag gegessen”, bemerkte sie leise. „Wenn ich mit Cherry telefoniert habe, kann ich Abendessen für dich machen.”
„Nein danke”, entgegnete er kurz angebunden. „Ich gehe wieder ins Bett.”
Als er aufstand, wandte sie
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