Rueckkehr nach Abbeydale
er schließlich. „Bist du noch mit ihm zusammen? Oder hast du ihn auch fallenlassen?”
Seine Worte waren so unfair, daß ihr die Tränen kamen.
„Cherrys Vater hat nichts mit uns zu tun, und wir kommen sehr gut ohne ihn klar.”
„Du meinst wohl, du kommst sehr gut ohne ihn klar”, konterte er. „Deine Tochter … seine Tochter ist da vielleicht anderer Ansicht.”
„Wenn du damit andeuten willst, daß Cherry in irgendeiner Weise benachteiligt ist …”
„Ich deute gar nichts an”, unterbrach er sie resigniert. „Ich habe mich nur gefragt, was du zu ihm gesagt hast, als du ihn abserviert hast. Oder hat er dich verlassen? Nicht jeder Mann ist bereit, die Verantwortung als Vater zu übernehmen. Ich habe diesen Job unter anderem deswegen bekommen, weil ich alleinstehend und unabhängig bin. Es war ein ziemlicher Schock für mich, als ich erfuhr, daß die Forschungsstation sich hier befinden würde. Nachdem ich jedoch diskret einige Erkundigungen eingezogen hatte, wußte ich, daß du dich mit deinen Eltern überworfen hattest und nie herkommst. Waren Sie mit deinem Lebenswandel nicht einverstanden, Kate? Einem Mann wie deinem Vater fällt es sicher schwer, zu akzeptieren, daß sein Enkelkind unehelich ist.”
Sie waren mittlerweile vor dem Haus angelangt. Nachdem Silas die Tür aufgeschlossen hatte, trat er zur Seite, um Kate vorbeizulassen.
„Willst du nicht mit reinkommen?” fragte sie, als er sich umdrehte und weggehen wollte.
„Ich muß noch etwas am Computer überprüfen.”
„Du hast doch den ganzen Arbeit gearbeitet. Du siehst erschöpft aus.” Sie sah, wie er unmerklich zusammenzuckte, und biß sich auf die Lippe. Wie hatte sie nur so taktlos sein können!
„Es ist zu spät, jetzt das besorgte Weibchen zu spielen”, erklärte er schroff.
Als er losging, hörte sie, wie er leise hinzufügte: „Elf verdammte Jahre zu spät.”
6. KAPITEL
Kate konnte nicht schlafen, denn sie war jetzt noch mehr aufgewühlt als vor dem Spaziergang. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und ihr schwirrte der Kopf. Nachdem sie eine Weile nervös in der Küche auf und ab gegangen war, machte sie sich einen Kaffee.
Den Becher in Händen, setzte sie sich an den Tisch und blickte ins Leere. Silas war nicht verheiratet, er hatte keine Kinder … und er hatte auch nie eine Familie gehabt.
Was habe ich nur getan? fragte sie sich verzweifelt. Sie dachte an Cherry, die so intelligent und liebenswert war, und daran, daß Silas und sie damals hatten heiraten wollen. Wieder traten ihr die Tränen in die Augen.
Sie hatte Cherry den Vater vorenthalten. Sie allein war dafür verantwortlich und nicht Silas. Und es war nur so weit gekommen, weil sie damals zu unreif gewesen war, zu unsicher, um eine einfache Frage zu stellen. Wie sollte sie bloß mit diesem Wissen leben?
Kate lag noch stundenlang wach und versuchte, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Silas war immer noch nicht zurückgekehrt.
Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich wünschte, die Uhr noch einmal zurückdrehen zu können. Daß Silas damals nicht nach ihr gesucht hatte, bewies eindeutig, wie gleichgültig er ihr gegenüber gewesen war.
Der Schmerz und die Bitterkeit, die sie in seinem Blick gesehen hatte, mußten also eine andere Ursache haben. Doch als sie ihm vorgeworfen hatte, verheiratet gewesen zu sein, hatte Silas sie mit einem so seltsamen Ausdruck in den Augen angeschaut, daß sie ihn am liebsten in die Arme genommen und getröstet hätte.
Kate mußte sich eingestehen, daß sie im Grunde ihres Herzens nicht viel anders war als mit achtzehn. Damals hatte sie sich danach gesehnt, mit Silas zu schlafen, wenn sie ihn angesehen hatte. Jetzt war sie fast dreißig, doch als sie an diesem Abend vor ihm gestanden hatte, hätte er sie nur zu berühren brauchen, und sie hätte ihn unweigerlich angefleht, sie ihn die Arme zu nehmen und ihr zu verzeihen. Und …
Und was? fragte sie sich. Hätte sie zu ihm sagen sollen, daß sie noch einmal von vorn anfangen konnten? So einfach war das Leben leider nicht. Sie hatten ein gemeinsames Kind, und sie, Kate, hatte Silas in dem Glauben gelassen, daß jemand anders Cherrys Vater war.
Was hätte sie sonst auch tun sollen? Hätte sie ihm unverblümt sagen sollen, daß Cherry seine Tochter war? Und was, wenn er ihr nicht geglaubt und ihr vorgeworfen hätte, sie würde ihn belügen? Oder, schlimmer noch, wenn er seine Rechte als Vater geltend machte? Was, wenn er erklärt hätte, er wollte
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