Rueckkehr nach Abbeydale
seine Tochter kennenlernen? Wie hätte sie damit fertig werden sollen? Nein, es war besser, wenn er es nicht erfuhr.
Schließlich würde bald alles vorüber sein. In einer Woche würden sie sich trennen und sich wahrscheinlich nie wiedersehen, denn jeder würde seiner Wege gehen.
Diesen Gedanken fand Kate alles andere als tröstlich.
Am nächsten Morgen war Silas immer noch nicht zurück. Da die Tür zu seinem Schlafzimmer offenstand, konnte Kate sehen, daß er nicht in seinem Bett geschlafen hatte.
Sie ging nach unten, und nachdem sie allein gefrühstückt hatte, rief sie bei ihren Eltern an. Cherry klang zuerst ein bißchen bedrückt, so daß es Kate große Überwindung kostete, fröhlich zu sprechen. Als sie sich jedoch von ihr verabschiedete, klang Cherry genauso vergnügt wie immer.
Danach wußte Kate nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte. Da sie sich dazu verpflichtet fühlte, den anderen nicht noch mehr Unannehmlichkeiten zu bereiten, als sie es ohnehin schon getan hatte, hielt sie sich von dem Hauptgebäude fern und aß auch allein zu Mittag. So verging der Tag, ohne daß sie eine Menschenseele sah.
Ihr einziger Kontakt zu anderen bestand in den Telefonaten, die sie mit ihren Eltern und Cherry führte. Max kam einige Male vorbei und kratzte an der Hintertür. Als sie ihm öffnete, begrüßte er sie schwanzwedelnd.
Sie widmete sich ihrer Arbeit, um sich weiter auf das neue Schuljahr vorzubereiten, aber am Nachmittag hatte sie keine Lust mehr. Daher machte sie einen ausgiebigen Spaziergang im Park. Auch der Abend zog sich endlos dahin. Silas hatte sich den ganzen Tag nicht blicken lassen, und sie ging früh ins Bett, weil sie sich einsam fühlte und gereizt war. Als sie am nächsten Morgen aufwachte und sah, daß der Himmel bedeckt war, hatte sie endgültig genug.
Spontan zog sie Gummistiefel und einen Regenmantel an und ging zum Hauptgebäude, wo ihr Graham entgegenkam.
„Hallo”, grüßte er. „Kann ich irgend etwas für Sie tun?”
„Nein, es sei denn, Sie können mir eine Beschäftigung besorgen”, erwiderte sie zerknirscht.
„Kein Problem. Vor allem, wenn Sie mit einem PC umgehen können.”
Das konnte sie, denn sie hatte diverse Computerkurse besucht. Graham erklärte ihr, daß sie einige einfache Programme überwachen sollte, damit er in der Zwischenzeit einige Berichte schreiben konnte.
„Wir sagen Silas lieber nicht, daß wir eine Computerexpertin hier haben”, meinte er scherzhaft zu Andy Lewis, einem der Tierärzte, die die Versuchsabteilung leiteten. „Sonst verlieren wir sie gleich wieder.”
In Grahams Büro herrschte ein heilloses Durcheinander. Da Kate bereits erkannt hatte, daß er zu den Leuten gehörte, die im Chaos am besten arbeiten konnten, überraschte es sie nicht, daß er Probleme mit dem PC hatte. Er gab auch ganz offen zu, daß er altmodischere Methoden bevorzugte, und lobte sie, weil sie so tüchtig war.
Sie war erleichtert darüber, endlich eine Beschäftigung gefunden zu haben. Gerade als sie Graham das sagte, ging die Tür auf, und Silas kam herein.
Er stutzte, als er Kate sah, und ein gequälter Ausdruck huschte über sein Gesicht. Dann kam Silas auf sie zu und blieb abrupt stehen.
„Graham, ich habe keine Schmerztabletten mehr. Hast du noch welche?” fragte er den Arzt, wobei er ihr den Rücken zuwandte.
„Ich habe welche, aber du weißt doch, daß ich dich wegen dieser Schmerzattacken gewarnt habe, Silas. Du nimmst dich zu hart ran. Die Welt bricht schließlich nicht zusammen, wenn du nicht rund um die Uhr arbeitest.”
„Vielleicht nicht”, bestätigte Silas grimmig. „Aber die Regierung könnte uns die Gelder stoppen. Du weißt doch selbst, daß wir innerhalb eines bestimmten Zeitraums bestimmte Ergebnisse vorweisen müssen und wie genau ich es mit meiner Forschung nehme. Starke Medikamente haben starke Nebenwirkungen.”
„Hier sind deine Tabletten.” Graham öffnete einen kleinen Medizinschrank und nahm eine Flasche heraus, die er Silas reichte. „Ich muß dir ja wohl nicht sagen, daß du sofort nach Hause gehen und dich ins Bett legen solltest, wenn du sie nehmen willst.”
„So leichtsinnig bin ich nun auch wieder nicht”, erwiderte Silas trocken, bevor er sich zum Gehen wandte.
Bisher hatte er kaum Notiz von ihr genommen. Kate merkte ihm an, daß es ihm nicht gutging. Seine Augen glänzten, und er hatte Schweißperlen auf der Stirn.
„Kate hat uns der Himmel geschickt”, sagte Graham fröhlich, während er ihn zur Tür
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