Rueckkehr nach Glenmara
Besuch?«
»Nein.«
»Bist du krank?«
»Kein guter Zeitpunkt, das ist alles.«
»Ich dachte nur …«
»Was?«
»Dass du, dass wir …«
Er wischte sich über die Stirn, hinterließ Holzkohlespuren darauf. Offenbar hatte er gezeichnet, denn in seiner Hand befand sich der Stummel eines Stifts. »Wenn du unangemeldet hier aufkreuzt, kannst du nicht erwarten, dass ich einfach alles liegen und stehen lasse …«
»Tu ich ja gar nicht. Bernie hat mich gebeten, wegen dem Computer bei dir vorbeizuschauen. Sie möchte noch ein paar Mails verschicken; vielleicht fährst du bald wieder nach Kinnabegs …«
»Heute nicht. Wenn du möchtest, gebe ich dir den Laptop mit.«
»Wir müssen reden …«
»Ich bin müde und will nachdenken. Nicht jetzt.«
»Sullivan, bitte. Ich weiß, du möchtest …«
»Woher willst du wissen, was ich möchte? Du kennst mich doch kaum.«
Sein Blick war noch nie so kühl gewesen. »Ich weiß …« Ihre Stimme zitterte. Sie war den Tränen nahe.
»Was weißt du?«
Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie hinter seinem Rücken über ihn gesprochen hatte.
»Am einen Tag trittst du in mein Leben, und am nächsten könntest du es wieder verlassen«, sagte er.
»Wenn du das glaubst, bist du derjenige, der mich überhaupt nicht kennt.« Als sie den Pfad hinunterhastete, hörte sie, wie die Tür sich schloss, und sie begann zu weinen.
Kate trat in die Pedale, so schnell sie konnte. Nicht zu fassen, wie kühl er gewesen war!
Als sie hinter sich einen Wagen hörte, blickte sie sich um, ohne den Fahrer zu erkennen. Er war noch zu weit weg, doch so rasant, wie er herangebraust kam, würde er sie in null Komma nichts erreicht haben. Würde Sullivan das Fenster öffnen, ihren Namen rufen, sie anflehen stehen zu bleiben? Kate, bitte, warte. Kate, lass mich erklären …
Nein, es war nicht Sullivan, sondern Pfarrer Byrne in seinem Mini, dessen Karosserie rasselte wie ein Säbel und aus dessen Auspuff dunkle Rauchwolken kamen. Kate drückte sich gegen ein Mäuerchen und fächelte sich Luft zu. Der Wagen berührte im Vorbeifahren ihren Rock. Einige Meter weiter blieb er kurz stehen, bevor er davonbrauste und sie, zitternd und von oben bis unten mit Schlamm vollgespritzt, zurückließ.
»Ich dachte, Sie sollen für Ihre Schäfchen beten, nicht, sie von der Straße abdrängen! Sie hätten mich umbringen können!«
Offenbar hatte er sie trotz des Motorenlärms gehört. Er warf einen Blick über die Schulter. Sie hätte schwören mögen, dass er sie mit einem kühlen Lächeln bedachte.
Kate war nicht bewusst, wohin sie fuhr. Nur weg von Sullivans Haus, dem Pfarrer und allem anderen. Ihre Großmutter hatte behauptet, schlimme Dinge ereigneten sich immer in Dreierfolgen. Inzwischen waren es mehr als drei. – Der Tod ihrer Mutter, ihre gescheiterte Karriere, die Trennung von Ethan, Moira, Sullivan und der Pfarrer. Sie hatte genug. Kate holperte die Wege entlang, durch das Grün.
Dumm, dumm, dumm. Dass sie sich die Sache mit Sullivan, den Frauen, der Spitze, dem Pfarrer so zu Herzen nahm. Es war ihr egal, ob sie jemanden überrollte oder selbst überfahren wurde. Sie hörte nur noch ihren keuchenden Atem und das Klappern der Fahrradkette.
Da bog sie falsch ab und geriet auf einen wenig benutzten Pfad, der zu einer Felsenbucht führte, wo es nicht mehr weiterging. Sie wendete, um zu der Weggabelung zurückzufahren, doch da versagten die Beine ihr den Dienst. Noch wenige Minuten zuvor war sie dahingeflogen, jetzt konnte sie sich nicht mehr bewegen. Sie würde sich ausruhen, wieder zu Kräften kommen müssen. Kate ließ das Rad stehen und setzte sich auf einen Kalksteinfelsen, auf dem sich die Skelette von Meerestieren der Urzeit abzeichneten. Hier glaubte sie, die Geschichte mit Händen greifen und mit der Seeluft einatmen zu können. Auf der Heide lagen in unregelmäßigen Abständen große Steine; niedrige Mauern zeugten von den Cottages, die früher an der Stelle gestanden hatten. An diesem Ort, dessen Namen niemand auszusprechen wagte, lebte seit den Tagen der großen Hungersnot niemand mehr.
Die Wellen liefen seufzend am Kieselstrand aus. Kate wanderte durch die Ruinen, ließ die Finger über die rauen Felsen gleiten, als würde sie Brailleschrift lesen, bevor sie zum Ufer hinunterging, um Steinchen ins Meer zu werfen, ihnen nachzublicken, wie sie sanken, und schließlich selbst hineinzuwaten. Das Wasser war so kalt, dass sie schon bald Füße und Beine nicht mehr spürte. Quarz,
Weitere Kostenlose Bücher