Rückkehr nach Kenlyn
richtig deutete, stand er Monaros Ernennung zum Admiral eher skeptisch gegenüber.
Xela Ru-Bandra schien um Jahrzehnte gealtert; noch nie zuvor hatte Kaleen ihn so schwächlich erlebt – er schien kaum mehr als ein Gestänge aus viel zu dünnen Knochen, eingehüllt in graues Leder. Seine Augen hinter den doppelten Brillengläsern waren trüb und ständig zu winzigen Schlitzen verzogen. Dass er allmählich senil wurde, war nicht zuletzt daran zu erkennen, dass er Monaro mehr als einmal mit »Telios« angesprochen hatte.
Seine Artgenossin Rumu An-Dalok wirkte gegen ihn blutjung. Sie war sehr breit gebaut, mit einem Schnabel, der aussah, als könne er Backsteine spalten; ihre Haut hatte die Farbe von Limonen. Obwohl bekannt dafür, nur wenig zu sprechen, war sie die Erste gewesen, die noch vor Beginn der Zeremonie vom Gouverneur Aufklärung verlangt hatte: Wer waren die »zersetzenden Elemente« die er in seiner Ansprache an das Volk erwähnt hatte?
» Sie werden es zu gegebener Zeit erfahren «, hatte Syl Ra Van geantwortet.
Also zog er es noch immer vor, das Wiedererwachen des Kults und die Tätigkeiten der Schattenkommission geheim zu halten; was bedeutete, dass er sogar seinen Admirälen misstraute.
Kaleen hatte weiterhin Unwissenheit vorgetäuscht. »Exzellenz! Was ist mit Admiral Telios? Was war der Grund für seine Festnahme?«
Es war Monaro, der für seinen Herrscher geantwortet hatte: »Andar Telios hat sich der Befehlsverweigerung und der Anstiftung zur Meuterei schuldig gemacht. Er hat den Orden der Friedenswächter und die Hohen Völker verraten.«
Telios ein Verräter? Der Gedanke war völlig absurd, undenkbar! Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich niemals gegen den Orden wenden würde – denn letztlich war der Orden alles, was er hatte.
Sie dachte an die Nachricht, die er ihr geschickt hatte: Was hätte er ihr gesagt, wenn sie sich getroffen hätten?
Telios war vor Ort gewesen, als der Dunkle Äther ausgebrochen war. Hatte das, was er dort gesehen hatte, ihn derart erschüttert, dass er einfach nur nach jemandem suchte, mit dem er darüber sprechen konnte?
Oder hatte er damals schon geahnt, dass sein eigener Adjutant es auf ihn abgesehen hatte, und war auf der Suche nach Unterstützung gewesen?
Möglicherweise war es auch um etwas völlig anderes gegangen.
Kaleen kannte Telios besser als die meisten noch lebenden Ordensmitglieder. Sie wusste, er war ein beispielhafter Offizier, ein Mann, der eher sterben würde, als seine Ideale zu verraten – und mehr noch: ein Freund. Aber hatte nicht jeder Mann seinen Preis? Und konnte es nicht sein, dass der Kult (von dessen Wiederauferstehung sie offiziell nichts wissen durfte) Telios’ Preis gefunden hatte? Hatte er, Telios, sie für seine neuen Herren anwerben wollen?
War es am Ende gar nicht Monaros Machthunger gewesen, der den Admiral gestürzt hatte?
Was immer davon zutraf, von ihm selbst würde sie es wahrscheinlich niemals erfahren. Denn Telios war nun ein Gejagter und seine Überlebenschancen sehr gering.
Wie konnte es nur soweit kommen?, dachte Kaleen. Und was wird aus uns werden?
Sie sah Monaro im Kreise ihrer Mit-Admiräle: einen jungen Menschen unter alten, müden Kriegern. Seht ihr nicht, was geschieht?, wollte sie ihnen zurufen. Seht ihr nicht, dass wir längst die Kontrolle verloren haben?
Doch sie schwieg. Denn anders als Telios hatte sie zu vieles, das sie verlieren konnte: zwei Ehemänner und sechs Kinder und deren Kinder. Und die Agenten der Kommission waren überall, wahrscheinlich auch auf ihrem Schiff. Ein falsches Wort konnte reichen, und sie würde Telios’ Schicksal teilen.
Wie die Dinge im Moment standen, mochte es das Gesündeste sein, abzuwarten und weiterhin Augen und Ohren offen zu halten; auch wenn sie ihre Nachforschungen vorerst einstellen musste, bevor sie damit unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich lenkte ...
Als habe er ihre Gedanken gelesen, wandte Monaro sich ihr zu. Kaleen erschrak, doch wie sie an ihrer Reflektion in seinen Brillengläsern erkannte, gelang es ihr bemerkenswert gut, dies zu verstecken. »Meinen Glückwunsch, Admiral Monaro«, sagte sie und senkte im Flug demutsvoll das Haupt.
»Ich danke Ihnen, Kaleen«, antwortete Monaro. »Wenn Sie gestatten, würde ich mich gerne unter vier Augen mit Ihnen unterhalten.«
Kaleen wusste nicht wie, aber sie schaffte es, zu lächeln. »Wie könnte ich da nein sagen, Admiral?«
Sie folgten einer Galerie im dritten Stockwerk, von der aus sie
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