Rueckkehr nach River's End
Versionen.«
Er öffnete seine leuchtend blauen Augen und starrte Noah an. »Das Tor ist verschlossen. Ich weiß, daß er mit ihr da drinnen ist. Der Hurensohn. Als sie an die Gegensprechanlage kommt, sage ich ihr, daß sie das Tor öffnen soll, daß ich mit ihr sprechen will. Ich bin vorsichtig, sehr vorsichtig, versuche, ruhig zu sprechen. Ich weiß, daß sie mich nicht hereinlassen wird, wenn sie merkt, daß ich Drogen genommen habe. Sie erklärt mir, daß es schon spät sei, aber ich lasse mich nicht abwimmeln, überzeuge sie. Sie gibt nach. Öffnet das Tor. Ich fahre zum Haus. Das Mondlicht ist so hell, daß es mir in den Augen schmerzt. Und sie steht in der Tür, hinter ihr ist Licht. Sie trägt das weiße Nachthemd, das ich ihr zum letzten Hochzeitstag gekauft habe. Das Haar fällt offen auf ihre Schultern, sie ist barfuß. Und wunderschön. Kühl, ihr Gesicht wirkt kühl, wie in Marmor gemeißelt. Sie sagt, daß ich mich kurz fassen soll, weil sie müde ist, und geht in den Salon.
Auf dem Tisch sehe ich ein Glas Wein und die Zeitschriften. Die Schere. Sie ist silbern, mit langen Klingen. Julie nimmt das Glas. Jetzt ist ihr klar, daß ich gekokst habe, und sie ist wütend. >Warum tust du dir das an?< fragt sie mich. >Warum tust du mir das an, und Livvy? <«
Sam hob eine Hand an die Lippen, rieb sie hin und her, immer wieder hin und her. »Ich sage, daß es ihre Schuld ist, weil sie sich mit Manning eingelassen hat, weil sie ihre Karriere über unsere Ehe gestellt hat. Das ist ein alter Streitpunkt, ein leidiges Thema, aber diesmal nimmt das Gespräch eine neue Richtung. Sie erwidert, daß sie mit mir fertig ist, daß es keine Chance für uns gibt, und daß ich aus ihrem Leben verschwinden soll. Ich mache sie krank, sie findet mich abstoßend.«
Tanner spricht immer noch wie ein Schauspieler, stößt die Worte aus, nutzt Pausen, legt Leidenschaft in seine Rede. »Sie erhebt ihre Stimme nicht, aber ich kann sehen, wie die Worte aus ihrem Mund kommen. Sie sind wie dunkelroter Rauch, der mich erstickt. Sie sagt, daß sie noch nie so glücklich war wie seit unserer Trennung, und daß sie nicht vorhat, sich mit einem erfolglosen, drogensüchtigen Schauspieler zu belasten. Manning sei nicht nur ein besserer Schauspieler, er sei auch ein besserer Liebhaber. Und ich hätte schon immer recht gehabt, sie will es nicht länger leugnen. Er gibt ihr alles, was ich ihr nicht geben kann.«
Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Noah, wie Tanners Blick glasig wurde.
»Sie wendet sich von mir ab, als ob ich ein Nichts wäre«, murmelte Sam, dann erhob er die Stimme zu einem gedämpften Schrei. »Als ob alles, was wir zusammen hatten, bedeutungslos geworden wäre! Der rote Rauch ihrer Worte klebt an meinem Gesicht, brennt mir in der Kehle. Plötzlich ist die Schere mit den langen Silberklingen in meiner Hand. Ich will sie in sie hineinbohren, auf sie einstechen. Sie schreit, das Glas fällt ihr aus der Hand und zerbricht. Blut rinnt über ihren Rücken. Als ob ich einen Korken aus einer Flasche Rotwein gezogen hätte. Sie stolpert, und es kracht. Durch den Rauch kann ich nichts sehen, steche nur immer wieder mit der Schere zu. An meinen Händen, auf meinem Gesicht spüre ich warmes Blut. Als wir auf dem Boden liegen, versucht sie, wegzukriechen, aber die Schere ist wie ein Teil meiner Hand. Ich kann nicht aufhören, kann mich nicht bremsen.«
Seine Lider schlössen sich, und die Fäuste auf seinen Knien waren weiß vor Anspannung. »Ich sehe Livvy in der Tür, sie starrt mich mit den Augen ihrer Mutter an.«
Als Sam nach seiner Kaffeetasse griff, zitterte seine Hand. Er trank schnell und gierig wie ein Mann, der gerade eine Wüste durchwandert hat. »Das ist die eine Version meiner Erinnerungen. Könnte ich jetzt etwas Kaltes zu trinken bekommen? Wasser?«
»Natürlich.« Noah schaltete das Aufnahmegerät ab, stand auf und ging in die Küche. Dort legte er seine Handflächen auf die Arbeitsplatte. Eisige Schweißperlen überzogen seine Haut. Er hatte die Abschriften der Protokolle über den Mord gelesen, die Berichte studiert. Er hatte gewusst , was ihn erwarten würde. Aber es war Sams eindringliche Schilderung, die ihm den Magen zusammenzog. Das - und der Gedanke an Olivia, die aus ihrem Kinderbett aufstand und geradewegs in einen Alptraum hineinlief.
Er goss Mineralwasser in zwei Gläser mit Eiswürfeln und trat wieder auf die Veranda.
»Sie fragen sich, ob Sie objektiv bleiben können«, begann Sam erneut.
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