Rueckkehr nach River's End
Noah. Der gärtnerische Horizont der meisten jungen Schönlinge beschränkt sich auf Rosen.« Die Grimasse, die er nicht ganz zu verbergen vermochte, brachte sie zum Lachen. Sie entspannte sich sichtlich. »Und Sie werden verlegen. Das erleichtert mich sehr. War es wegen meiner Bemerkung über die Blumen oder den Schönling?«
»Blumen gehören zu meinen Hobbys.«
»Also der Schönling. Nun, Sie sind groß, gut gebaut und haben ein sehr attraktives Gesicht. Also...« Sie lächelte immer noch und nahm sich einen Keks. »Ihre Eltern hoffen, daß Sie endlich die richtige Frau kennenlernen und seßhaft werden.«
»Was?«
Nun amüsierte sie sich köstlich, hob den Teller und bot ihm Kekse an. »Haben sie Ihnen das noch nie gesagt?«
»Nein. Du lieber Himmel.« Er bediente sich und baute dann kopfschüttelnd seinen Kassettenrekorder auf. »Im Augenblick stehen Frauen ganz unten auf meiner Prioritätenliste. Erst kürzlich bin ich gerade noch mit knapper Not davongekommen.«
»Tatsächlich?« Jamie zog ihre Beine unter sich. »Möchten Sie darüber sprechen?«
Sein Blick traf den ihren. »Nicht, während die Uhr tickt. Erzählen Sie mir, wie es war, mit Julie zusammen aufzuwachsen.«
»Aufzuwachsen?« Er hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. »Warum? Ich dachte, Sie wollten über das letzte Jahr sprechen.«
»Später.« Die Kekse waren nicht übel, also gönnte er sich noch einen. »Aber zunächst möchte ich wissen, wie es war, ihre Schwester zu sein. Mehr noch, ihre Zwillingsschwester. Erzählen Sie mir von ihrer Kindheit.«
»Es war eine gute Kindheit, für uns beide. Wir standen uns sehr nahe, und wir waren glücklich. Wir hatten sehr viel Freiheit, wie wahrscheinlich die meisten Kinder, die auf dem Land aufwachsen. Meine Eltern gestanden uns in gleichem Maß Verantwortung und Freiheit zu. Das ist eine gute Mischung.«
»Sie wuchsen in einer ziemlich einsamen Gegend auf. Hatten Sie noch andere Freunde?«
»Hmm, ein paar, sicher. Aber wir waren einander immer die besten Freundinnen. Wir waren gern zusammen und mochten meistens dieselben Dinge.«
»Keine Streitereien, keine schwesterlichen Eifersüchteleien?«
»Nichts Ernsthaftes. Natürlich gab es Streitigkeiten - niemand kann sich so gut streiten wie zwei Schwestern oder so gezielt die Schwachpunkte der anderen angreifen. Julie war kein Feigling, sie teilte ebenso gut aus wie sie einsteckte.«
» Musste sie viel einstecken?«
Jamie knabberte an ihrem Keks und lächelte. »Klar. Schließlich war ich auch nicht ohne. Noah, wir waren zwei eigensinnige junge Mädchen, die eng aufeinander hockten. Wir hatten viel Platz, aber wir waren trotzdem... irgendwie eingeschlossen. Wir forderten einander heraus, wir stritten uns, wir vertrugen uns wieder. Wir gingen einander auf die Nerven, konkurrierten miteinander. Und wir liebten uns. Julie konnte eine Menge einstecken, aber sie war nie nachtragend.«
»Und Sie?«
»O ja.« Wieder das Lächeln, das jetzt ein wenig katzenhaft wirkte. »Das war das einzige, was ich immer besser konnte als sie. Julie kämpfte eine Runde, teilte Schläge aus, dann dachte sie an etwas anderes. In einem Augenblick war sie wütend, stampfte eingeschnappt davon. Und im nächsten lachte sie schon wieder und rief, ich solle kommen und mir etwas anschauen, oder sie sagte: Komm schon, Jamie, vergiß es und Lass uns schwimmen gehen. Und wenn ich nicht schnell genug darüber hinwegkam, piekste sie mich, bis ich es vergessen hatte. Sie war unwiderstehlich.«
»Sie sagten gerade, nachtragend zu sein sei das einzige gewesen, was Sie besser konnten. Was konnte sie denn besser?«
»So gut wie alles. Sie war glücklicher, schlauer, schneller, stärker. Und auf jeden Fall kontaktfreudiger und ehrgeiziger.«
»Haben Sie sich darüber geärgert?«
»Vielleicht.« Sie sah ihn ausdruckslos an. »Doch ich habe dieses Stadium überwunden. Julie war dazu geboren, jemand Besonderes zu sein. Ich nicht. Denken Sie, daß ich ihr dafür die Schuld gegeben habe?«
»Haben Sie das?«
»Lassen Sie es mich an einem anderen Beispiel erklären«, fuhr Jamie nach einer Weile fort. »Nehmen wir das Hobby, das wir offenbar gemeinsam hatten. Machen Sie einer Rose einen Vorwurf daraus, daß sie eine prächtigere Farbe, eine größere Blüte hat als die andere? Die eine ist nicht weniger bedeutend als die andere, nur anders. Julie und ich waren sehr verschieden.«
»Andererseits übersehen viele Menschen die kleinere Blüte und wählen die
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