Rückkehr nach St. Elwine
Haar fiel einfach nur glatt herunter. Ihres umspielte in leichten Wellen ihre Schultern, was sie ebenfalls beanstandete. Entweder glatt oder richtige Locken. Wer trug schon sanfte Wellen?
Ich weiß gar nicht, woher nur immer ihre Unzufriedenheit rührte.“
Olivia erwartete keine Antwort auf diese Frage und fuhr deshalb leise fort: „Was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, musste sie haben. Als sie es dann schließlich hatte, egal um was es sich auch handelte, verlor es innerhalb kürzester Zeit seinen Reiz für sie. Meine Güte, sie hat meinen Vater damit oft zur Weißglut getrieben. Ihre Wutanfälle waren nicht ohne, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen verlief. Daddy muss eine Engelsgeduld gehabt haben. Das wird mir heute erst so richtig klar. Zum Glück verflog ihr Zorn immer genau so rasch, wie er gekommen war. Wir hatten trotz aller Gegensätze sehr viel Spaß miteinander. Celina sprühte förmlich über vor lustigen Ideen. Eines ihrer Lieblingsspiele war Vom Winde verweht.“
„ Vom Winde verweht?“
Olivia hörte aus der Art wie Peter sprach, dass er lächelte. Als sie jetzt die Augen öffnete, war sie kein bisschen überrascht, dass er es tatsächlich tat.
Sie schob sich dichter an ihn heran. Seine Nähe war ihr stets ein großer Trost. Selbst wenn er nicht zu ihr sprach, seine ruhige Präsenz allein genügte bereits, damit sich Olivia geborgen fühlte.
Jetzt zog er sie an seinen noch immer festen Körper. Sie drehte sich auf die Seite, um möglichst mit ihrer gesamten Körperoberfläche mit ihm in Berührung zu kommen. Sein Kinn ruhte auf ihrem Kopf, sie spürte seine sachten Atemzüge in ihrem Haar. Ihre Finger waren fest ineinander verschlungen.
„ Ich sollte zu ihm gehen und es ihm sagen“, überlegte Olivia.
„ Du meinst Johann?“
Olivia nickte fast unmerklich. Johann Svenson, der Vater von Celinas erstem Ehemann, wohnte noch immer in St. Elwine.
„ Ich werde dich dorthin begleiten“, bot Peter sofort an.
„ Nein, das ist nicht notwendig. Es ist wahrscheinlich an der Zeit, dass ich mit ihm rede. Manche Dinge schiebt man ewig vor sich hin, bis man irgendwann feststellen muss, dass es zu spät ist.“
„ Hat der Anwalt etwas über Charlottes Aufenthalt gesagt?“, erkundigte sich Peter.
Charlotte war die Tochter seiner Schwägerin.
„ Nein und um ehrlich zu sein, ich habe vergessen danach zu fragen. Ich war so durcheinander.“
„ Natürlich.“ Peter küsste das seidige Haar mit dem schwachen Duft nach Blumen.
Olivia hatte, wenn sie an ihre Nichte Charlotte dachte, immer nur ein Bild von einem kleinen, blonden Mädchen vor sich. Dabei war sie längst eine erwachsene Frau. Genauso alt wie ihre Tochter Angelina. Sie erinnerte sich dunkel daran, mal von irgendwo gehört zu haben, dass Charly in Afrika Entwicklungshilfe leistete, nachdem sie erfolgreich ihr Studium der Zahnmedizin abgeschlossen hatte. Das war vor über zehn Jahren gewesen. Charlotte blieb Celinas einziges Kind. Sie stammte aus der Verbindung mit Nathan Svenson, Celinas erstem Mann. Der jedoch hatte damals, als seine Frau ihn verließ, ebenfalls St. Elwine den Rücken gekehrt. Celinas damaliger Entschluss hatte so vielen Menschen wehgetan. Und doch war es für sie selbst richtig gewesen. Olivia hatte das als Einzige verstanden und sie moralisch unterstützt. Hin und wieder plagten sie deshalb Schuldgefühle. Aber sie wusste nur zu gut, dass sie es jederzeit wieder, genauso, gemacht hätte. Natürlich hatte sie sich damals oft gewünscht, ihre Schwester würde bedachter vorgehen. Sie sollte erst ganz gründlich für sich selbst prüfen, ob die Ehe mit Nathan nicht vielleicht doch noch zu kitten wäre. Vielleicht hätte sie mit ihm in eine andere Gegend ziehen sollen. Vor allem, hätte sie mehr mit ihm reden sollen, über das was sie dachte oder fühlte. Doch dafür war Celina viel zu spontan, zu impulsiv, gewesen. Sie hatte sich in die Familienbande der Svensons nicht einfügen können. Was nicht unbedingt Celinas Schuld gewesen war, denn Emma Svenson, ihre Schwiegermutter, führte ein strenges Regime. Sie hielt die Fäden sämtlicher Vorgänge im Haus fest in ihrer Hand. Celina musste nicht nur lernen zu kochen, zu backen, zu putzen, zu bügeln und all diese Dinge, die sich für eine ordentliche Hausfrau und Mutter gehörten, sondern sie musste auch lernen, all das so zu verrichten, wie Emma das tat und zwar ganz genauso ohne ein Abweichen oder eine klitzekleine Änderung. Celina konnte und wollte das auf die
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