Rückkehr nach Wedenbruck
Simon fast die Nerven. Als ob sie nicht jeden Griff beherrschte, so oft, wie sie inzwischen bei einer Fohlengeburt geholfen hatte. „Lass mich nur machen, ich bin hier die Hebamme vom Dienst.“ Sie zog einen Strohballen aus der Abfohlbox bis an Pünktchens Boxentür, während Simon die Stute dazu brachte, noch einmal halb aufzustehen und sich mehr in die Mitte der Box zu legen. Dann begann er, die Wände rundherum mit einem schützenden Polster aus Einstreu zu versehen. Bille hatte aus dem Medizinschrank eine Bandage geholt und band der Stute den Schweif ein. Es war Zeit sich zurückzuziehen. Jetzt konnten sie nur noch warten.
Sie verließen die Box und postierten sich außerhalb so, dass sie das Geschehen gut im Blick hatten.
„Es dauert bestimmt noch einen Moment“, flüsterte Bille. „Ich geh mal in die Sattelkammer und schaue nach, ob Hubert irgendwas zum Essen und Trinken dahat, mir ist schon ganz schlecht vor Hunger. Ruf mich sofort, wenn es so weit ist!“
„Alles klar.“ Simon gähnte herzhaft. Die Uhr zeigte inzwischen auf halb vier.
Viel fand Bille nicht. Immerhin gab es den Elektrokocher, in dem sie Wasser heiß machen konnten. Nur Kaffee fehlte leider. Bille suchte zusammen, was sie für geeignet hielt, um den schlimmsten Hunger zu vertreiben. Ein kulinarischer Genuss würde es nicht gerade werden.
„Hier: Kamillentee, Möhren und trockenes Pferdebrot, mehr kann ich dir nicht bieten. Ich hab die besten Stücke aus der Tüte rausgesucht. Es ist auch noch eine kleine Flasche Schnaps da, aber den heben wir uns auf, bis das Fohlen gesund auf der Welt ist.“ Damit reichte sie Simon einen Becher mit heißem Tee und in einem blütenweißen Papiertaschentuch eine zusammengeschrumpfte Brotscheibe und zwei Möhren.
„Lecker, in der Tat.“ Simon nahm den Blechbecher und trank vorsichtig ein paar Schlucke des siedend heißen Tees. Dann mümmelte er abwechselnd an einem Stück Karotte und einem Stück Brot.
Sie waren mit ihrem opulenten Mahl noch nicht ganz fertig, da wurde es ernst: Der Geburtsvorgang hatte eingesetzt. Zwischen Pünktchens Beinen wurde - wie eine glänzende Kugel - die Fruchtblase sichtbar, glitt zurück und erschien wieder. Diesmal erkannten sie bereits unter der Eihülle die Nase des Pferdekindes und die zierlichen Vorderhufe. Ein Glück, das Fohlen lag richtig! Sie mussten keine Komplikationen befürchten. Bille war heilfroh, dass dies eine leichte Geburt zu werden versprach. Von dramatischen Ereignissen hatte sie für heute genug.
Und sie behielt Recht. Pünktchens Kind glitt so sanft und glatt ins Stroh, als entstamme es einer Wildpferde-Herde. Vielleicht hatte Pünktchen Mitleid mit ihren beiden übermüdeten Betreuern empfunden und wollte ihnen keine extra Strapazen mehr zumuten. Sah es nicht so aus, als blinzele ihnen die Stute verschwörerisch zu, während sie den Kopf ihrem Neugeborenen zuwandte? Mit einem zärtlichen Brummen beschnupperte sie es und begann mit kräftigen Strichen ihrer Zunge die Reste der Eihaut zu entfernen. Das Fohlen schien eines von der ungeduldigen Sorte zu sein, feuchtglänzend lag es im Stroh und versuchte bereits energisch zappelnd sich aufzurichten.
„He! Ein Stutfohlen ! Simon, du hast eine Tochter! Herzlichen Glückwunsch!“, wisperte Bille. „Und was für eine kleine Schönheit.“
Es war jedes Mal ein Wunder, wie ein Fohlen, kaum hatte die Mutter sich erhoben, bemüht war, es ihr nachzumachen. Pünktchens Tochter brauchte nicht lange, bis sie den Trick herausgefunden hatte, wie man mit weit gespreizten Beinen stehen bleiben konnte. Kurze Zeit
später fand sie auch den Weg zur mütterlichen Milchquelle und begann zu saugen.
„Ein Naturtalent! Na komm, jetzt haben die beiden sich in Ruhe kennen gelernt, wir dürfen gratulieren gehen.“
Bille betrat die Box und begann sie von den Spuren der Geburt zu säubern. Anschließend desinfizierte sie den Nabel des Fohlens, während Simon seine Stute und ihr Kind mit Zärtlichkeiten überhäufte. Bille beobachtete ihn lächelnd. So viele kostbare, hoch begabte Pferde waren schon durch seine Hände gegangen, aber eine wirklich tiefe Bindung hatte er nur zu der Stute, die sein erstes eigenes Reitpferd gewesen war.
„So, jetzt können wir die beiden getrost sich selbst überlassen“, meinte sie, als sie alles weggeräumt hatte. „Kommst du?“
„Nur noch ein paar Minuten ...“ Simon stand mit glänzenden Augen in den Anblick seiner neugeborenen Pferdetochter vertieft in der Box. Langsam
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