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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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nicht genau.«
    Dann, als sie merkte, daß ich weiterfuhr, erschrak sie noch mehr. Den Rest kannte ich.
    Â»Nein. Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte ich. »Jetzt kann ich noch immer nichts begreifen. Wie konntest du das nur tun?«
    Â»Ich … ich hab mir gesagt, daß da nichts passieren darf.«
    Â»Und wußtest, was und wo ich es tun wollte?«
    Â»Ja.«
    Â»Woher?«
    Nach einer langen Weile: »Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich dich schon ein kleines bißchen kannte …«
    Ich schwieg. Viele Fragen wollte ich noch stellen, traute mich aber nicht. Wir standen am Fenster. Mit geschlossenen Augen, die sich hinter dem Ozean öffnende Weite spürend, sagte ich: »Na schön, Eri … aber nun? Was wird nun … werden?«
    Â Â»Das habe ich doch schon gesagt.«
    Â»Aber so will ich es nicht«, flüsterte ich.
    Â»Anders kann es nicht sein«, antwortete sie nach einer langen Pause. »Und übrigens …«
    Â»Ãœbrigens?«
    Â»Will ich nicht.«
    An diesem Tag gegen Abend wurde es irgendwie fast wieder schlimmer. Denn dies kam und drängte sich vor, fiel zurück – warum wohl? Keine Ahnung. Sie wußte es wohl auch nicht. Nur in den entscheidenden Augenblicken schienen wir uns näherzukommen, erst dann kannten wir einander und vermochten uns zu verstehen.
    Und die Nacht. Und noch ein Tag.
    Und am vierten Tag hörte ich sie telefonieren und bekam eine furchtbare Angst. Später weinte sie dann. Aber beim Mittagessen lächelte sie bereits wieder.
    Und so waren dann der Anfang und das Ende. Denn in der nächsten Woche fuhren wir nach Mae, Bezirksmitte, und dort, vor einem weißgekleideten Mann, sprachen wir die Formeln aus, die uns zu einem Ehepaar machten. An demselben Tag telegrafierte ich an Olaf. Am nächsten Tag ging ich zur Post, aber es gab keine Nachricht von ihm. Ich dachte, daß er vielleicht verzogen sei und daß daher diese Verzögerung käme. Aber, um die Wahrheit zu sagen, spürte ich schon auf der Post ein Gefühl der Unruhe. Dieses Schweigen sah Olaf durchaus nicht ähnlich. Aber aufgrund all der Dinge, die da passiert waren, dachte ich daran nur ganz kurz und ahnte gar nichts.
    Als hätte ich es vergessen.

VI

    Für ein Paar, das nur infolge der Heftigkeit meines Begehrens zusammenkam, waren wir erstaunlich harmonisch. Unser Leben war auf eine ziemlich eigenartige Weise geordnet. Hatten wir Meinungsverschiedenheiten, so verstand Eri ihren Standpunkt zu verteidigen. Meist ging es dabei um allgemeine Fragen. Sie war zum Beispiel eine überzeugte Anhängerin der Betrisierung und verteidigte sie mit Argumenten, die sie nicht den Büchern entnahm. Die Tatsache, daß sie ihre Meinung so offen der meinen entgegensetzte, hielt ich für ein gutes Zeichen, aber unsere Diskussionen fanden am Tage statt. In seinem Licht auch über mich in einer ruhigen, objektiven Art zu sprechen, traute sie sich nicht – oder vielmehr sie wollte es nicht, weil sie wahrscheinlich nicht wußte, welches von ihren Worten zu einer Kritik irgendeines meiner Fehler oder Lächerlichkeiten werden würde und welches zu einem Angriff gegen die Wertbegriffe meiner Zeit. In der Nacht aber – als ob die Dunkelheit meine Anwesenheit reduzierte und verdünnte – sprach sie zu mir über mich, daß heißt – über uns. Und ich war bei diesen Gesprächen der Dunkelheit dankbar, weil sie so barmherzig mein vielfaches Staunen verdeckte.
    Sie erzählte mir von sich, von ihrer Kindheit. Auf diese Weise erfuhr ich zum zweiten, oder eher zum ersten Mal – jetzt erst mit einem reellen, menschlichen Inhalt erfüllt –, wie kunstvoll diese Gesellschaft einer andauernden, zärtlich stabilisierten Harmonie konstruiert war. Als natürlich wurde da betrachtet, daß Kinder haben und sie in den ersten Lebensjahren erziehen ein Problem ist, das hohe Qualitäten und eine vielseitige Vorbereitung erfordert, ganz spezielle Studien also; allein für die Erlaubnis, einen Nachkommen zu zeugen, mußte ein Ehepaar eine Reihe von Tests bestehen; am Anfang schien mir das unerhört, aber nach einigem Nachdenken mußte ich zugeben, daß eher die Sitten unserer alten Gesellschaft paradox gewesen waren. Denn in der alten Gesellschaft konnte man kein Haus, keine Brücke bauen, keine Krankheit heilen, keine einfache Verwaltungsmaßnahme durchführen, ohne eine

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