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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dieser Reisen – da ihre Ziele stets weitergesteckt wurden – die Mannschaften der Raumschiffe, dieser Vertreter der Erde, in einen Haufen unglücklicher, tödlich gequälter Wesen verwandeln mußte, die nach ihrer Landung – hier oder dort – eine sorgfältige Betreuung und Rekonvaleszenz erfordern würden; daß die Entscheidung, derartige Hitzköpfe hinauszuschicken, gedankenlos und grausam war. Für das Wesentlichste hielt man die Tatsache, daß die Erde den Kosmos erobern wollte, obwohl sie für sich selbst noch nicht alles getan hatte. Als ob es nicht selbstverständlich wäre, daß heroische Flüge die unendlichen Leiden, Ungerechtigkeiten, Ängste und Hungersnöte der Menschen nicht beseitigen konnten.
    So aber dachte nur die erste betrisierte Generation. Später, im natürlichen Lauf der Dinge, kam das Vergessen. Die Gleichgültigkeit. Und die Kinder, die von der romantischen Zeit der Raumflüge erfuhren, waren erstaunt, hatten vielleicht gar ein wenig Angst vor ihren unfaßbaren Ahnen, die ihnen ebenso fremd, ebenso unverständlich wie ihre Ur-Urahnen erschienen, die da in Raubkriege und Goldsucherexpeditionen verwickelt gewesen waren. Eben diese Gleichgültigkeit erschreckte mich am meisten, sie war schlimmer als eine harte Verurteilung – das Werk unseres Lebens wurde mit Schweigen übergangen, begraben und vergessen.
    Eri versuchte nicht, bei mir Enthusiasmus für die neue Welt zu wecken, sie wollte mich auch nicht zu ihr bekehren – sie erzählte nur ganz einfach davon. Und ich – eben weil sie von sich selbst sprach und so dieser Welt ein persönliches Zeugnis ausstellte, konnte vor ihrem Glanz nicht die Augen verschließen.
    Es war eine Zivilisation, die die Angst nicht kannte. Alles, was es gab, diente den Menschen. Nichts war wichtig, außer ihrer Bequemlichkeit, der Erfüllung ihrer selbstverständlichen wie auch extremen Wünsche. Überall, auf sämtlichen Gebieten, wo die Anwesenheit des Menschen, die Anfälligkeit seiner Leidenschaften, die Langsamkeit seiner Reaktionen auch nur das geringste Risiko befürchten ließ – wurde er ausgeschaltet zugunsten toter Vorrichtungen – Automaten.
    Diese Welt war der Gefahr unzugänglich, dem Grauen, dem Kampf und jeglicher Gewalt – dafür gab es dort keinen Platz; es war eine Welt der Milde, der weichen Formen und Sitten, der unscharfen Übergänge und undramatischen Situationen, genauso staunenswert wohl, wie meine oder unsere – hierbei dachte ich an Olaf – Reaktion darauf.
    Denn gerade wir hatten zehn Jahre hindurch so viele Schrecken erlebt, so vieles, was dem Menschen zuwider ist, was ihn verletzt und zerbricht, und wir kamen so satt zurück, so schrecklich satt davon. Jeder von uns, wenn er gehört hätte, daß sich die Rückkehr verspäten könnte, daß man neuen Monaten der Leere die Stirn würde bieten müssen, wäre wohl dem, der das verkündete, an die Gurgel gegangen. Und eben wir, die dieses ständige Risiko nicht mehr ertragen konnten, diese blinde Chance eines Meteoriten-Treffers, diese ewige Spannung des Erwartens, die Qualen, die wir erlebten, wenn da irgendein Arder oder Ennesson von einem Erkundungsflug nicht wiederkam – ausgerechnet wir fingen plötzlich an, uns auf jene Schreckenszeit als auf etwas einzig Richtiges, Angemessenes zu berufen, das uns Würde und Sinn gegeben hatte. Obwohl ich jetzt noch zusammenzuckte, wenn mir die Erinnerung kam, wie wir sitzend oder liegend, in den eigenartigsten Stellungen über der runden Radiokabine hängend, gewartet und gewartet hatten in einer Stille, die nur durch das gleichmäßige Brummen eines Signals unterbrochen wurde, das von der automatischen Raumschiffanlage kam, und die Schweißtropfen in dem toten blauen Licht von der Stirn des Funkers fließen sahen, der in der gleichen Erwartung erstarrte – während die Alarmglocke lautlos weiterging, bis der Augenblick kam, in dem ihr Zeiger den roten Punkt auf dem Blatt berührte und Erleichterung brachte. Erleichterung, denn nun konnte man auf die Suche gehen und selbst umkommen, und das schien wirklich leichter als dieses Warten. Wir Piloten, keine Wissenschaftler, waren alte Jungen, unsere Zeit blieb schon drei Jahre vor dem eigentlichen Start stehen. Innerhalb dieser drei Jahre erlebten wir verschiedene Arten einer ansteigenden psychischen Belastung. Es gab

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