Rückkehr zum Mars
Flanken der Felsen und Dünen von einem leichten, pulvrigen Weiß überzogen waren, das funkelte und blinkte und verschwand, wo die vor kurzem aufgegangene Sonne sie berührte.
Ich bin daheim, dachte er. Nach sechs Jahren bin ich dorthin zurückgekommen, wohin ich gehöre.
»Was ist das für ein weißes Zeug?«
Jamie hörte Vijay Shektars ein wenig neugierige, rauchige Katzenstimme in seinem Helmlautsprecher. Er drehte den Kopf, aber der Helm versperrte ihm die Sicht; er musste den ganzen Körper drehen, um sie neben ihm stehen zu sehen.
»Raureif«, antwortete Jamie.
»Raureif?«
»Der Wasserdampf in der Atmosphäre friert auf dem Boden und den Felsen aus.«
»Aber wir haben Frühling, oder?« Ihre Stimme klang leicht verwirrt und unsicher.
Jamie nickte. »Das stimmt. Der Sommer kommt erst in vier Monaten.«
»Aber Raureif und Frost gibt es doch erst im Herbst, nicht im Frühling«, sagte sie.
Jamie lächelte. »Auf der Erde. Hier sind wir auf dem Mars.«
»Oh.« Sie schien einen Moment lang darüber nachzudenken, dann sagte sie in einem fröhlichen, singenden Tonfall: »Können wir eine Schneeballschlacht machen?«
Jamie schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Das Eis lässt sich nicht pressen. Es ist nicht feucht genug; nicht genug Wasserstoffbindung.«
»Ich verstehe nicht.«
»Es ist wie sehr trockener, sehr pulvriger Schnee. Viel trockener und pulvriger als jeder Schnee auf der Erde.« Jamie fragte sich, ob sie in Australien jemals Ski gelaufen war. Vielleicht in Neuseeland, dachte er. Da haben sie gute Wintersportgebiete.
»Dann kann man also keine Schneebälle machen«, sagte Shektar. Sie klang enttäuscht.
Jamie hob den Arm, zeigte zum Horizont und antwortete: »Vor langer Zeit konnte man's. Hier gab es mal ein Meer … oder zumindest einen größeren See. Höchstwahrscheinlich so ähnlich wie der Golf von Mexiko: ziemlich flach und warm von der Sonne.«
»Wirklich?«
»Aber ja. Siehst du die Terrassierung? Die muschelförmigen Vertiefungen?«
»Die stammen von einem Meer?«
Jamie nickte im Innern seines Helms. »Es ist gegen den Hang des Tharsis-Buckels ein ganzes Stück westlich von hier geplätschert. Wir stehen wahrscheinlich im ehemaligen Küstenbereich. Kann sein, dass es unter unseren Füßen fossile Muscheln gibt.«
»Und wie sähen marsianische Muscheln wohl aus?«, fragte Dex Trumball scharf. »Woran würde man hier eine Versteinerung erkennen? Die Formen wären ganz anders als auf der Erde.«
Jamie drehte sich um und sah in ungefähr hundert Meter Entfernung Dex' Raumanzug mit den königsblauen Armbändern. Dex hatte sie auf ihrer Anzug-zu-Anzug-Frequenz belauscht.
»Es gibt ja schließlich die Bilateral-Symmetrie.« Jamie versuchte, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen.
Trumball lachte.
»Irgendwas mit Beinen wäre ganz hilfreich«, setzte Vijay hinzu.
Dex kam mit großen Sätzen über den eisenroten Sand auf sie zu, einen Probenbehälter aus Kunststoff in der behandschuhten Hand. »Aber dieses Zeug über das Meer ist gut. Das könnte ich bei meiner VR-Tour benutzen. Zwei, drei Stunden am Computer, und ich könnte den Zuschauern daheim sogar eine visuelle Simulation zeigen !«
Dex versprühte jugendliche Begeisterung und Energie. Jamie war eindeutig verstimmt.
Der Geophysiker kam mit Zweimeterschritten die kleine felsige Anhöhe zu Jamie und Vijay herauf.
»Es ist Raureif, stimmt. Seht euch das an! Kommt mit, ich will ein paar Proben sammeln, bevor die Sonne alles verdunsten lässt.« Er schwenkte den isolierten Probenbehälter.
Ohne auf Jamie zu warten, machte sich Dex auf den Weg zu den mit Eis überzogenen Dünen hinunter.
Jamie schaltete über das Tastenfeld an seiner linken Manschette auf die Basisfrequenz des Anzugfunks. »Waterman an Basis. Shektar, Trumball und ich gehen ins Dünenfeld runter.«
Stacy Deschurowas Stimme klang ein wenig verärgert, als sie antwortete. »Dann seid ihr außerhalb des Bereichs der Kameras, Jamie.«
»Verstanden«, sagte Jamie. »Wir werden nicht länger als als eine halbe Stunde unterwegs sein, und wir bleiben in Gehweite.«
Deschurowa gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Seufzer und einem Schnauben lag. »Verstanden. Maximal eine halbe Stunde in Gehweite.«
Als ältere der beiden Astronauten war Deschurowa für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zuständig. Sie war hauptsächlich im Kommunikationszentrum der Kuppel postiert, wo sie jeden, der draußen arbeitete, mittels der um die Kuppel herum
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